Kandidaten für den Tassilo:Sie kann die Bilder fließen lassen

Kandidaten für den Tassilo: Der Hummer ist ihr Markenzeichen: Edith Kramer malte das Tier zum ersten Mal für ein später wegen der Illustrationen preisgekröntes Kochbuch.

Der Hummer ist ihr Markenzeichen: Edith Kramer malte das Tier zum ersten Mal für ein später wegen der Illustrationen preisgekröntes Kochbuch.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Edith Kramer ist selbst Autodidaktin und hat 25 Jahre lang Aquarell gelehrt. Auch international renommierte Künstler und Dozenten hat die 75-Jährige in die Tenne nach Wackersbeg geholt.

Von Petra Schneider

Werbung hat Edith Kramer nie gemacht, weder für die Ausstellungen in der Tenne noch für die Aquarellkurse, die sie 25 Jahre lang dort gegeben hat. Trotzdem haben die Leute zur jährlichen Adventsausstellung das kleine Dorf gestürmt. An die 1000 Leute sind dann nach Wackersberg gekommen, Einheimische und Besucher aus Frankfurt, Stuttgart, vom Bodensee. Auch ihre Aquarellkurse waren bereits im Februar regelmäßig ausgebucht; acht pro Jahr mit je zwölf Teilnehmern, immer von Dienstag bis Donnerstag. Ganz unterschiedliche Leute hätten teilgenommen, erzählt Kramer. Einheimische und Künstler, die bereits eigene Ausstellungen hatten. Architekten, "die besser zeichnen konnten als ich", aber zu sehr "an den Linien hingen" und bei ihr lernen wollten, die Bilder "fließen zu lassen". Viele, auch international renommierte Künstler und Dozenten hat die 75-Jährige in die Tenne geholt: Alain Le Nost aus Frankreich, den österreichischen Aquarellkünstler Kurt Panzenberger oder den Karikaturisten Ernst Hürlimann. Wie es ihr gelungen ist, sie nach Wackersberg zu locken? "Ich bin ein offener Mensch, der gerne auf andere zugeht", sagt die gebürtige Münchnerin. Und: "Ich liebe dieses Haus." An der Idee, in einem Dorf eine Galerie einzurichten, habe sie nie gezweifelt.

Rund 300 Jahre alt ist der stattliche, denkmalgeschützte Bauernhof gegenüber der Kirche, der bei den Einheimischen "Alter Tiroler" heißt. 1972 hat ihr Vater den aufgelassenen Hof gekauft, 1987 wurde die Galerie in der ehemaligen Tenne eingeweiht: Ein großer, hoher Raum mit mächtigen Holzwänden, wie geschaffen für Ausstellungen. Zum 30-Jährigen gab es im September eine Gemeinschaftsausstellung, einige von Kramers Aquarellen hängen noch: Landschaftsbilder aus dem Isarwinkel, das Reutberger Moor, die Isar bei Lenggries, Stillleben, Blumen, bretonische Fischerdörfer, venezianische Ansichten. Und immer wieder Hummer, das sei so etwas wie ihr Markenzeichen. Die Farben ihrer Bilder leuchten, "ich mag Power", sagt die Künstlerin, die selbst auch Energie ausstrahlt: Flotte Kurzhaarfrisur, blaue Ohrringe, blaue Jacke, zartblauer Lidschatten: "Blau ist meine Lieblingsfarbe."

Kramer malt ausschließlich Aquarelle. Das sei die Königsdisziplin in der Malerei. Weil es keine weiße Aquarellfarbe gibt, müssen die entsprechenden Anteile von vornherein ausgespart werden. "Das gesprochene Wort, den geschossenen Pfeil und das weiße Aquarellpapier kann man nicht zurückholen", sagt sie. Kramer, die eine Tochter und drei Enkel hat, ist Autodidaktin, sie hat diverse Seminare und Kurse besucht. Ihre Bilder wurden in Einzel - und Gemeinschaftsausstellungen gezeigt, viele in der Bretagne. Ihre Beziehung zu Frankreich ist eng.

"Im ersten Teil meines Lebens war ich Dolmetscherin", erzählt Kramer, die nicht nur Französisch, Englisch, Italienisch und Japanisch studiert hat. In Frankreich hat sie bedeutende Auszeichnungen bekommen: 2005 die "Médaille de Vermeil" von der akademischen Gesellschaft Arts-Sciences-Lettres in Paris für ihre künstlerische Arbeit als Aquarellistin, zuerst in Bronze, 2013 dann in Gold. Und woher rührt ihre besondere Beziehung zum Hummer? Verantwortlich war ein Kochbuch: "Für Leib und Seele - Schmankerl aus Wackersberg", hieß das Buch, das sie 1999 illustriert hat. Ein Auftrag des Schweizer "Fliegenfischer-Papstes" Hans-Ruedi Hebeisen, der gerade an einem neuen Kochbuch arbeitete, folgte - und mit ihm detaillierte Vorgaben und Informationen, eben auch über Hummer. So ist "Faszination Tafelfreuden" entstanden, das 2010 mit der Goldmedaille für das "am schönsten illustrierte Kochbuch" ausgezeichnet wurde. Malkurse gibt Kramer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, Ausstellungen soll es in der Tenne aber weiterhin geben. "Das Malervölkchen ist doch unheimlich nett", sagt sie und lacht.

Leserinnen und Leser der SZ haben noch bis Ende Februar die Gelegenheit, Personen und Gruppen vorzuschlagen, die in ihrem Landkreis oder Stadtviertel künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Das Spektrum kann vom Kirchenchor über Kammermusiker bis zur Rockband reichen, vom Volksmusikanten bis zum Videokünstler, Filmemacher oder Veranstalter. Vorschläge können per E-Mail unter tassilo@sueddeutsche.de oder per Post an die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen, Untermarkt 2, 82515 Wolfratshausen, geschickt werden. Einsendeschluss ist Mittwoch, 28. Februar

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