Kabarett in Dorfen:Auch Mamas Pflanzerl waren schwarz

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Simon Pearce glaubt, dass er durch Humor besser ernste Themen vermitteln kann: "Die Leute wollen ja Comedy, keine Kriegsberichte", sagt er. (Foto: Hartmut Pöstges)

Simon Pearce arbeitet in seinem Programm eine stellenweise amüsante Mutter-Sohn-Beziehung auf

Von Sabine Näher, Icking

Bis zuletzt bleibt unklar, ob dieser Kabarettabend seinen geplanten Gang nehmen wird. Denn der Kabarettist wird Vater. Allerdings kommt das erste Kind von Simon Pearce nicht im nahen München zur Welt, wo er selbst aufgewachsen ist, sondern in Siegen in Westfalen, fast 570 Kilometer entfernt. Deshalb steht ein Freund bereit, um den werdenden Vater im Fall der Fälle umgehend dorthin zu bringen. Öffnet sich die Tür, weil jemand auf die Toilette geht oder von dort zurückkommt, bekommt der Künstler auf der Bühne jedes Mal einen Schreck. Doch das Kind hat ein Einsehen mit dem Publikum im gut besuchten Vereineheim Dorfen und lässt sich noch ein bisschen Zeit.

"Allein unter Schwarzen" heißt Pearces Programm und zeigt gleich an, dass hier viel Ironie im Spiel sein wird. Denn schließlich ist in Bayern noch immer fast die Hälfte schwarz, wenn auch nicht in dem Sinn wie der "schwarze Urbayer" Pearce. Sein Vater kommt aus Nigeria; seine Mutter ist die bayerische Volksschauspielerin Christiane Blumhoff. Das würde man nun gar nicht erwähnen wollen, würde er das Thema nicht zum roten Faden machen und immer wieder Mutter-Sohn-Geschichten einfließen lassen. Wie's aussieht, hat er da noch einiges aufzuarbeiten. Die Blumhoff als Mutter zu haben, scheint eine schwere Hypothek zu sein.

"Meine Mutter kennt und mag das Programm", versichert Pearce. Das beweist ihren Sinn für Humor. Nicht jede Mutter könnte lachen, wenn der Sohn auf der Bühne erzählt, er als das dritte Kind habe den Vorteil gehabt, dass er im Stehen gestillt werden konnte. "Also ich lag und meine Mutter stand ..." Dass die Schauspielerin schon früh auf dem Bio- und Ökotrip war, kann der Sohn vielleicht schätzen, wenn er demnächst selbst in die Rolle des Erziehers wechselt. Als Kind hat er darunter gelitten und wurde quasi doppelt zum Außenseiter. Beispiel: Alle dürfen zu McDonald's; Simon will natürlich auch, aber Mama Blumhoff brät die "Pflanzerl" lieber zu Hause. Leicht verkohlt, mit herausragenden, weil lediglich geviertelten Zwiebel, werden sie auf Schwarzbrot serviert. Eine bezeichnende Szene ein paar Jahre später: Simon hat ein Mädel mit nach Hause gebracht. Sonntagvormittag; der einzige verbindliche Familientermin im Künstlerhaushalt ist das (späte) Sonntagsfrühstück. Variante 1: Simons Vater betritt das Zimmer, um den Sohn zu Tisch zu bitten. Er geht sofort zum Fenster, preist das schöne Wetter und verlässt das Zimmer, mit dem Rücken zum Bett. Variante 2: Die Mutter betritt das Zimmer in gleicher Mission. Und steuert strahlend aufs Bett zu: "Ja, griaß di! Brauchst di net genieren; i hob a koan BH o ..." Das Publikum amüsiert sich bestens; auch wenn bei manchen fast ein schlechtes Gewissen aufkommen mag bei diesen indiskreten Blicken durchs Schlüsselloch.

Unbefangener kann man sich Simons Geschichten über rassistische Erlebnisse im Alltag anhören. Denn das Unbehagen, das hier als "Fremdschämen" aufkommen könnte, wird durch Pearces witzige und lockere Art der Schilderung ausgehebelt. Beispiel: In der U-Bahn krault eine alte Frau ungefragt seinen Lockenkopf. "Jo mei, wia a Schaf!" Daraufhin habe er "ganz zärtlich" ihre unter dem Kinn hängenden Halsfalten geschüttelt: "Jo mei, wia a Truthahn!" Da lässt sich ganz unbeschwert lachen. Manchmal bleibt das Lachen aber im Hals stecken. Ein griechischer Gast ruft in der Bar nach dem Geschäftsführer, weil er sich rassistischer Behandlung ausgesetzt wähnt. Pearce, der den Posten innehat, erscheint. Darauf der Grieche: "Du bist doch koa Chef, du bist a Aff!"

Irritieren, wenn nicht beleidigen, kann aber auch das Gegenteil von Rassismus, nämlich übertriebene "political correctness". Da sucht eine junge, seeehr tolerante Frau in der Disco bemüht nach dem richtigen Wort: "Du bist eben..., ääääh, maximal pigmentiert." Das klinge nun wie eine Hautkrankheit, findet der Kabarettist, der da mit einer ehrlichen, unverkrampften Ansage wie der seines Kollegen vom Bauhof besser leben kann: "Mei, Simon: Du bist doch koa Neger net!" Dass er permanent von der Polizei kontrolliert werde, bringe aber auch ihn mitunter an den Rand seines Humors, gesteht Pearce. "Ich greife dann schon in vorauseilendem Gehorsam zum Perso - und lass' die Hosen runter..." Da muss man sich als weißer Bayer im Publikum dann doch ein bisschen fremdschämen.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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