Wolfratshausen:Zwei Flüchtlingskinder vor dem Ertrinken gerettet

Wolfratshausen: Noel Frank rief seine Mutter Martina Frank um Hilfe. Sie rettete einen der beiden syrischen Buben aus der Loisach vor dem Ertrinken.

Noel Frank rief seine Mutter Martina Frank um Hilfe. Sie rettete einen der beiden syrischen Buben aus der Loisach vor dem Ertrinken.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die 11 und 14 Jahre alten Jungen waren beim Spielen in die Loisach gefallen und konnten nicht schwimmen. Zwei Passanten haben die jungen Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet.

Von Barbara Briessmann

"Es war anders, als die Polizei behauptet", sagt Martina Frank. Die 38-Jährige hat am Mittwoch ein elfjähriges Flüchtlingskind aus der Loisach gezogen und vor dem Ertrinken gerettet. Der 14-jährige Freund des Buben, der auch nicht schwimmen kann, wurde von zwei Männern geborgen und vor dem Tod bewahrt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. "Aber ohne zwei Spielkameraden der beiden wären wir auf die Gefahr gar nicht aufmerksam geworden", so Frank. Einer ist ihr Sohn Noel, der andere ein unbegleiteter zwölfjähriger Flüchtling. "Die Kinder sind die eigentlichen Helden", findet Frank. Sie und Lebensretter Alexander Biendl erinnern sich an den Nachmittag.

Kinderpflegerin Frank, die in einem Hort in Pullach arbeitet und in Wolfratshausen lebt, war mit drei ihrer vier Kinder an der alten Floßlände. Sie spielten mit anderen am Ufer der Loisach, aber auch im Wasser. "Sie waren alle quietschvergnügt", sagt Frank. Und auch die zwei syrischen Buben, die sie nicht näher kannte, hätten im Wasser einen äußerst sicheren Eindruck gemacht. "Die sind ständig rein und raus aus dem Wasser, haben getobt."

Sie hätte nie gedacht, dass sie gar nicht schwimmen können. Plötzlich habe sie gehört, dass der Flüchtlingsjunge A. (aus rechtlichen Gründen darf weder sein Name genannt, noch ein Bild von ihm gezeigt werden; Anm. der Redaktion) laut "Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung" rief. Ihm war in der Aufregung der Ruf um Hilfe nicht eingefallen. Er sah, dass sein bester Freund, ein elfjährige Syrer, unterging. Franks 13-jähriger Sohn Noel erfasste die Situation, rannte zu seiner Mutter und schrie: "Mama, komm schnell, ich glaube, der ertrinkt!"

Martina Frank zögerte keine Sekunde: "Schuhe aus und rein in die Loisach", erzählt sie. Die vierfache Mutter bekam den regungslosen Elfjährigen zu fassen, konnte ihn zu den Steintreppen bei der Gaststätte "Flößerei" ziehen. "Aber ich habe ihn nicht aus dem Wasser bekommen und habe laut um Hilfe gerufen." In der Flößerei seien viele Leute im Biergarten gesessen. Bedienungen wären auf sie aufmerksam geworden und hätten das Kind aus dem Wasser gezogen. Am Ufer habe der Bub "wieder zu schnaufen" begonnen.

Durch die Aufregung alarmiert schaute ein 45-jähriger Münchner vom nahen Sebastianisteg auf die Loisach und sah, wie der 14-jährige Flüchtlingsjunge flussabwärts trieb. Der Mann rannte los zu den Betontreppen am Parkplatz der Loisachhalle. Zeitgleich beobachtete der 28-jährige Wolfratshauser Alexander Biendl die Szene, dachte sich: "Der Junge taucht aber lang", bis ihm klar wurde, dass der Junge in der Strömung ertrinken wird. "Als ich an der Treppe war, ist der Münchner gerade ins Wasser gesprungen."

Biendl zog den bewusstlosen Buben aus dem Fluss, trug ihn zur Flößerei. "Da war mir doch sehr mulmig, ich hatte Angst, dass er stirbt." Nach bangen Minuten fing der 14-Jährige laut Biendl plötzlich an Wasser zu husten, zu spucken und zu atmen. Das Kind sei total verängstigt gewesen und habe Biendl mit vor Angst weit aufgerissenen Augen angestarrt. "Und dann war da ganz viel Polizei, Feuerwehr, Sanitäter und der Notarzt", erinnert sich der 28-Jährige.

"Der Elfjährige hat sich geweigert, in den Rettungswagen zu steigen", sagt Martina Frank. "Er hatte Angst vor seinem Vater, davor, geschimpft zu werden, wenn er nicht nach Hause kommt." Doch der Notarzt habe das Kind gezwungen, weil er verdächtige Lungengeräusche wahrgenommen habe. Der Bub und sein 14-jähriger Freund wurden auf die Kinderstation im Klinikum Starnberg gebracht. Doch nach Angaben der Wolfratshauser Polizei würden die Buben keine körperlichen Schäden davontragen. Das Krankenhaus wollte sich auf SZ-Anfrage nicht dazu äußern, ob die beiden schon entlassen wurden. Auch die Polizei in Wolfratshausen konnte am Wochenende keine Angaben dazu machen.

Die Eltern der Kinder wurden vom unbegleiteten Flüchtling A. informiert. Der Fünftklässler der Mittelschule in Wolfratshausen war der Einzige, der wusste, wo sie wohnen und wie sie heißen. Er selbst lebt in der Wohngruppe "Unisono" in Wolfratshausen. Dorthin brachte den Zwölfjährigen Martina Frank "patschnass, wie ich war". Sie habe es sich nicht verkneifen können, auf mangelnde Aufsichtspflicht hinzuweisen, sagt sie. Die Leiterin der Wohngruppe, Jeanette Schmidt, war entgeistert, als sie die Geschichte hörte. "Einerseits ist es großartig, dass er seinen allerbesten Freund retten wollte", meint sie. Das könne sie verstehen. Aber A. sei kein sicherer Schwimmer trotz eines Kurses. "Du darfst nicht ins Wasser steigen", habe sie ihm ausdrücklich gesagt. Er werde nie wieder ins Wasser gehen nach dem schrecklichen Erlebnis vom Mittwoch, habe er geantwortet.

Um ein Leben zu retten, würden es Alexander Biendl und Martina Frank wieder tun. "Das war für mich ganz normal", sagt Biendl. In die Loisach zu springen, sei nicht schlimm gewesen, meint Frank. Doch ohne den Alarm von A. und ihrem Noel hätte sie das Leben des einen Buben nicht retten können: "Die Kinder sind die wahren Helden!"

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