Jubiläumskonzert:Wo der Ton stimmt

Eine Juristin beschließt, einen Laienchor zu gründen. Als Dirigenten engagiert sie einen Schüler. Nun feiert das Vokal-Ensemble Icking sein 20-jähriges Bestehen - natürlich mit anspruchsvollem Programm

Stephanie Schwaderer

Die erste Probe, daran erinnert sich Traudl Bergau noch heute, war ein kleines Desaster. Vor 20 Jahren, an einem Mittwoch im Frühling 1993, hatte die Juristin und Kulturmentorin eine Truppe Gleichgesinnter im Musikraum des Ickinger Gymnasiums zusammengetrommelt. Sie war entschlossen, sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen: Die Gründung eines Chors, der nicht nur geistliche Werke singen würde. "Die Stimmung war lustig und nett, aber auch spannungsgeladen", erinnert sie sich. "Vor uns stand Matt Boynick, der Leiter der Isartaler Philharmoniker. Und er war entsetzt über unser mangelndes Können."

Boynick gab nach kurzer Zeit auf. "Er sollte ohnehin nur ein Übergangshelfer sein", sagt Bergau. Das Vokalensemble Icking hingegen machte weiter - mit einem Dirigenten, der damals gerade sein Abitur schrieb und bislang vor allem als Schauspieler bei Schulaufführungen aufgefallen war: Philipp Amelung. "Wenn man ihn sah, merkte man sofort, dass er sich ausdrücken kann, dass er gut rüberkommt und Zugang zu den Menschen hat", erinnert sich Bergau. Als Amelung, gerade 18 Jahre alt, bei einem Schülerkonzert kurzfristig für eine erkrankte Musiklehrerin als Dirigent einsprang, hatte Bergau ihren Chorleiter gefunden: "Amelung war der Mann der ersten Stunde."

13 Jahre blieb der junge Dirigent dem Laienchor treu, formte ihn zu einem Klangkörper, der spätestens 2003 mit einer Elias-Aufführung in der Ebenhauser Kirche aufhorchen ließ. Gemeinsam wagte man sich an immer wieder neue Herausforderungen, Mozarts Requiem, Orffs "Carmina Burana" oder Händels "Messias". Mehrmals sangen die Ickinger Bachs Weihnachtsoratorium sowie die Johannes-Passion. Zu den Höhepunkten gehörte auch die Mitwirkung in Mozarts Oper "Don Giovanni" im Sommer 2005.

Nach dem Glanzpunkt dann die Zäsur: Ende des Jahres 2005 ging Philipp Amelung nach Leipzig, wo er den Posten des Direktors der Schola Cantorum übernahm. Mittlerweile wurde er zum Universitätsmusikdirektor in Tübingen berufen. Gerade befindet er sich auf Konzertreise in Vietnam. Seinem alten Ensemble ist der Musiker mit den strahlendblauen Augen aber nach wie vor eng verbunden. Die Zeit, als er "dirigistisch noch in den Kinderschuhen gesteckt" habe, sei für ihn unvergesslich, schreibt er in einem Grußwort zum Jubiläumsprogramm: " Ich bin geprägt von einer Freundlichkeit, die mir entgegengebracht wurde, wie ich sie seither selten bei Ensembles erlebt habe." Auch in diesem Jahr soll die alte Liebe wieder aufleben: Ende November leitet Amelung Mozarts Requiem im Rahmen des Ickinger Konzertzyklus.

Zunächst aber steht ein großes Jubiläumsprogramm an. Professionelle Solisten unterstützen am Sonntag das Ickinger Vokal-Ensemble, das mit knapp 70 Mitgliedern seinem Namen schon etwas entwachsen ist. Die Sänger kommen längst aus dem ganzen Isartal, viele aus Geretsried und Wolfratshausen. Im Kulturleben der Gemeinde Icking und Umgebung ist der Chor zu einer Instanz geworden. Wie Bürgermeisterin Margit Menrad es formuliert: "Das Vokal-Ensemble Icking trifft ins Herz und gehört zum Herzen von Icking."

Vier Jahre lang leitete Maria Benyumova den Chor. Die Studentin aus Sibirien war so jung wie einst Amelung, als sie erstmals vor das Ensemble trat. Im Gegensatz zu diesem hatte sie aber keine unbedarften Laiensänger vor sich, sondern einen gut ausgebildeten Klangkörper, so dass bereits ihr Einführungskonzert mit dem Kammerorchester Krasnojarsk zu einem beachtlichen Erfolg wurde. 2010 wechselte sie als Chordirektorin ans Theater Krefeld-Mönchengladbach.

Seither steht mit Peter Francesco Marino ein international ausgezeichneter Komponist am Pult. "Er bewegt sich in allen musikalischen Sparten, vom Jazz über europäische Folklore bis hin zu den großen Oratorien und führt uns behutsam an neuere Musik heran", schwärmt Hartmut Schröter. Der Ebenhauser bringt als Vorsitzender nicht nur seinen Bassbariton im Ensemble ein, sondern auch sein Organisationstalent. Nun freut er sich darauf, am Sonntag eine selten aufgeführte Schubert-Messe intonieren zu dürfen und erstmals auch eine Komposition Marinos. "Das ist etwas ganz besonderes", sagt Schröter. "Eine Herausforderung."

Traudl Bergau hingegen wird in den Reihen der Zuhörer Platz nehmen. Zur Chorprobe geht sie schon lange nicht mehr. "Ich bin zu alt", sagt sie. "Ein alter Sopran klingt furchtbar scheppernd." Das Vokal-Ensemble ist trotzdem noch "ihr" Chor. Neben der musikalischen Qualität schätzt sie den Umgang miteinander - "so wie Philipp ihn geprägt hat".

Zuhause und im Auto singt die Chorgründerin noch immer mit ungebrochener Leidenschaft. "Und mit meinem Enkel", sagt sie, "der muss das aushalten."

Sonntag, 5. Mai, 20 Uhr, St Benedikt, Ebenhausen; 20 Euro, Karten bei Schreibwaren Baumgartner Icking und Buchhandlung Isartal Ebenhausen

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