50 Jahre Isar Kaufhaus:Das große Geschäft

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Herren-Pantoletten und Französische Kleiderschränke zu 29,75 Mark: 1966 eröffnet die Institution im Untermarkt, 1972 folgt die Filiale in Geretsried. Die Inhaber-Familie feiert das runde Jubiläum - dabei hat der erste Laden längst geschlossen.

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Vor einem halben Jahrhundert zogen zwei Rappen einen Wagen durch den Wolfratshauser Untermarkt, auf dem Bock eine Braut und ihren Bräutigam. Zwischen Hunderten wartenden Zuschauern stieg das Paar aus, nahm einen großen goldenen Schlüssel zur Hand und öffnete damit symbolisch die blitzsauberen neuen Glastüren des Isar Kaufhauses. Historische Fotos belegen das Ereignis, das an diesem Donnerstag vor genau 50 Jahren, am 31. März 1966, stattfand - ein bedeutender Tag für die Stadt, in der die Läden noch Gardinen an den Türen hatten. Gründer Otto-Ernst Holthaus und Sohn Frederik Holthaus feiern das Jubiläum in den kommenden zwei Wochen, begonnen wird am Freitag, 1. April, um 11 Uhr mit einer Geburtstagstorte und Sekt für alle Kunden. Die Feier jedoch findet in Geretsried statt - das geschichtsträchtige Haus in Wolfratshausen musste 2012 zusperren.

Autoreifen, Herren-Pantoletten und Französische Kleiderschränke zu 29,75 Mark gab es zur Eröffnung zu kaufen, verrät ein Prospekt von 1966 - eben "alle Artikel des täglichen Gebrauchs" wie Holthaus senior zusammenfasst. Der Andrang war so groß, dass ein Sicherheitsdienst am Eingang postiert werden musste. Allein an diesem einen Tag setzten Holthaus und seine Mitarbeiter 100 000 Mark um. Übertroffen wurde dieser Rekordumsatz nur 1972 bei der Eröffnung der Geretsrieder Filiale.

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(Foto: Privat)

Seit der Schließung des Wolfratshauser Isar Kaufhauses gibt es nur noch das in Geretsried.

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(Foto: Privat)

Die Neuröffnung des Isar Kaufhauses lockte unzählige Menschen in den Untermarkt.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Gegründet hatte es Otto-Ernst Holthaus, seit Mitte der Neunzigerjahre führte es Sohn Frederik Holthaus (re.).

Für seinen Loisacher Vollsortimenter hatte sich Holthaus von französischen und amerikanischen Kaufhäusern inspirieren lassen. Frankreich gelte als Wiege der Kaufhauskultur, heißt es: Die funkelnden Einkaufspaläste der "Galeries" und "Grand Magasins" entstanden bereits im 19. Jahrhundert in Paris. Diese Kultur hatte es bis in die Staaten geschafft und war dort perfektioniert worden. Schon in den Achtzigern habe es dort Kaufhäuser mit 30 000 Quadratmetern Verkaufsfläche gegeben - "so groß wie der Möbel Mahler", sagt Frederik Holthaus, der während des Studiums in Philadelphia arbeitete, so wie sein Vater als junger Mann in New York sein Können als Kaufmann verfeinerte.

Was daraus geworden ist und wie sich das Isar Kaufhaus im Verlauf der Jahre gewandelt hat, zeigt ein knapp 45-minütiger Film des Regisseurs Rüdiger Lorenz, den Kunden für acht Euro kaufen können. Wolfratshauser, die die Anfänge miterlebt hatten, werden einiges wiedererkennen: vielleicht auf den ältesten Aufnahmen sogar die beiden Häuser, aus denen später das Isar Kaufhaus werden sollte. Der erst 33 Jahre alte Holthaus senior mietete den 250 Jahre alten Getreidespeicher und die Knabenschule, zwei schwer heruntergekommene Gebäude, für ganze 30 Jahre - nach eigenen Angaben mit der Auflage, dass er zum einen die Häuser in Eigenleistung ertüchtigen und zum anderen auch für die Instandhaltung selbst aufkommen würde. Auch nach der Eröffnung des Kaufhauses erfand sich Holthaus ständig neu: Nur vier Jahre später installierte er im dritten Stock die "Flößerstube", eine Gaststätte, die zugleich museale Ausstellungsstücke aus der Flößerzeit zeigte. Dort wurde auch der Werbekreis Wolfratshausen gegründet, der sich gegen den Einzelhandel im Gewerbegebiet starkmachte. Als 1975 der IFA-Markt schloss, erweiterte Holthaus die Flächen um 500 Quadratmeter, und als 1983 das Café Heiss dichtmachte, wurden auch deren alte Geschäftsräume in das Kaufhaus integriert. In der Zwischenzeit hörte Holthaus niemals auf zu feiern: Er zeigte Modenschauen im Laden und in der Loisachhalle, lud Balletttänzer und sogar Roberto Blanco ein.

Weil Handel Wandel ist, wie Holthaus senior sagt, passte er sich ständig neuen Bedingungen an. Als ein Wäschegeschäft in der Wolfratshauser Altstadt schloss, erweiterte Holthaus sein Sortiment kurzerhand um Wäsche. Die Ansiedelung des C&A in Geretsried wusste der ebenso findige Holthaus junior, der die beiden Geschäfte 1995 von seinem Vater übernahm, auch für sich zu nutzen. Statt ebenfalls weiter günstige Kleidung anzubieten, spezialisierte er sich auf Marken-Kleidung wie Esprit und S.Oliver. Einen C&A in der Nachbarschaft zu haben, bedeute für ihn also nicht etwa Konkurrenz, sagt er - viel mehr sehe er in ihm einen Kundenmagneten für das ganze Zentrum.

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Doch obwohl die Familie Holthaus sich anzupassen verstand, wurde sie am Ende doch vom Wandel überholt. Der zunehmende Online-Handel habe das goldene Zeitalter des Isar Kaufhauses in Wolfratshausen beendet, die Miete habe er sich bald nicht mehr leisten können, sagt Holthaus junior. So wurde das Jahr 2012 für den Wolfratshauser Standort zum Schicksalsjahr: Die Monate andauernden Verhandlungen mit der Eigentümerin scheiterten. 267 000 Euro habe er zuletzt jährlich gezahlt, sagt Holthaus, mehr als 216 000 Euro habe er sich von da an nicht mehr leisten können. Mit dem Aus des Wolfratshauser Isar Kaufhauses verloren 47 Mitarbeiter ihren Job. Die Kunden wenigstens hielten Holthaus die Treue: Seit 2013 hat das Geretsrieder Isar Kaufhaus 145 000 Kunden im Jahr, und die kommen auch aus Wolfratshausen.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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