Integration:Die internationale Kochschule

In Geretsried brutzelt, backt und brät die Übergangsklasse mit Feuereifer fürs ganze Karl-Lederer-Haus: syrisches Shaorma, afghanisches Khajoor und italienische Pizza.

Von Peter Buchholtz

Gleich hinter der Eingangstür an der Johann-Sebastian-Bach-Straße steigt dem Besucher ein feiner Duft in die Nase und führt ihn - einmal quer durch das Schulgebäude - direkt in die Küche. Dort wuseln die 16 Schüler der Übergangsklasse durch den Raum; es brutzelt, brät und backt in allen Ecken. Mit Schürzen um den Bauch hantieren die Jugendlichen seit kurz nach 8 Uhr in den vier Kochkojen, wie die Hauswirtschaftslehrerin Margit Stockert sie nennt. Ausgestattet ist jede Koje mit Backofen, Kochfeldern, einer Spüle sowie einer großzügigen Arbeitsfläche, auf der geschnippelt und geknetet wird.

Integration: Ahmad und Nour bereiten Shaorma zu.

Ahmad und Nour bereiten Shaorma zu.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Teenager der Übergangsklasse kommen aus acht Ländern: Syrien, Afghanistan, Irak, Rumänien, Polen, Tschechien, Italien und Kasachstan. Bisher können die 14- bis 17-Jährigen kein oder kaum Deutsch. Sie besuchen die Mittelschule mit dem Ziel, bald einen Hauptschulabschluss absolvieren zu können. In der AG "Soziales", früher Hauswirtschaftslehre genannt, gibt es daher die Initiative "TAFF": "Talente finden und fördern". In anderen Projekten errichten die Schüler Hochbeete, um Gemüse anzubauen oder basteln ihre eigene Modekollektion aus recycelbaren Materialien wie Tetrapaks. Bei dem Kochprojekt sollen die Schüler auch die anderen Kulturen kennenlernen, erklärt Judith Hausmann, die gemeinsam mit Michael Kreiß die Übergangsklasse leitet. Seit 2015 wird regelmäßig gekocht, dann aber in kleineren Gruppen.

Integration: Am Ende des interkulturellen Kochprojekts wird alles professionell angerichtet.

Am Ende des interkulturellen Kochprojekts wird alles professionell angerichtet.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In den Kojen wird schnell deutlich, dass die Initiative einige Kochtalente zu Tage fördert. Ahmad aus Syrien bereitet Shaorma zu, ein syrisches Gericht ähnlich dem Kebab, bei dem ein Fladenbrot mit Hühnchenfleisch, einer Sesampaste und Gewürzen wie Kardamom, Kreuzkümmel und Knoblauch belegt und aufgerollt wird. Die Handgriffe sitzen. Gekonnt schneidet Ahmad, der bisher kaum Deutsch spricht, die Rollen danach auf und drapiert sie kreisförmig auf einem großen Teller. Der 16-Jährige hat in Syrien schon im Restaurant seines Vaters mitgeholfen, übersetzt einer seiner Mitschüler.

Integration: Getty ist mit der Salami aus Schokoladen beschäftigt.

Getty ist mit der Salami aus Schokoladen beschäftigt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Obwohl in der Übergangsklasse viele unterschiedliche Sprachen und Kulturen aufeinandertreffen, funktioniert die Arbeit im Team. "Die Schüler wissen sich zu helfen, teilweise mit Händen und Füßen", sagt Margit Stockert. Für jede Sprache gebe es außerdem einen Experten unter den Jugendlichen, der für die Schüler, aber auch für die Lehrer übersetzen könne. Neben Shaorma aus Syrien und Pizza aus Italien haben sich die Schüler vor allem für süße Speisen aus ihrer Heimat entschieden. Es gibt tschechischen Quarkkuchen, Pfannkuchen mit Äpfeln aus Polen, italienische Schokoladensalami aus Kakao, Butter und Keksbröseln sowie Baklava, das traditionelle Blätterteiggebäck, das auch in Deutschland in vielen türkischen Restaurants und Imbissen angeboten wird.

In der afghanischen Koje wird Khajoor zubereitet, eine Süßspeise aus leicht geröstetem Teig und karamellisiertem Zucker, der frittiert wird. Margit Stockert schaut etwas ängstlich, als die samenförmigen Teiglinge in Öl ausgebacken werden. "Das kennen die Schüler hier nicht so gut. Ich hab immer schon die Löschdecke parat", sagt sie. Auch wenn in der Küche noch nie etwas Schlimmes passiert ist - Stockert muss ihre Augen überall haben. Oft ruft sie Sätze durch die Küche wie: "Irgendwo riecht was angebrannt! - Vorsicht mit dem Messer! - Den Herd zurückdrehen!" Neulich habe sich eine Schülerin an einem zersprungenen Teller die halbe Fingerkuppe abgeschnitten, berichtet sie. Die Wunde ist aber schon wieder verheilt.

Die Stimmung ist trotzdem ausgelassen, die Jugendlichen sind mit Elan und Teamgeist bei der Sache. Anfangs hätten nur ein paar der Jungs Probleme gehabt, sich mit der Schürze, dem Spülen und Aufräumen anzufreunden, berichtet Stockert. Das habe sich aber gelegt.

Um 11 Uhr strömen die anderen Schüler in die Aula, die Übergangsklasse präsentiert stolz ihre professionell angerichteten Speisen, jeder darf probieren. Hinter ihnen hängen Plakate mit Informationen über ihre Herkunftsländer. Beim Gruppenfoto muss Stockert die Jungs sogar daran erinnern, die Schürzen auszuziehen. Sie lacht. Zumindest dieser Teil ihrer Mission scheint geglückt.

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