Integration:Band in die Heimat

Internetversand Hana Al-Ksebati

Bis vor drei Jahren lebte Al-Ksebati noch in Damaskus. Aus der Heimat lässt sich Al-Ksebati Tücher schicken, die sie über Facebook verkauft.

(Foto: Manfred Neubauer)

Hana Al-Ksebati flüchtete mit Mann und Kindern in einem Kühllaster aus Damaskus. Nun hat sie sich in Bad Tölz eine Existenz aufgebaut: Sie verkauft Tücher aus Syrien im Internet.

Von Thekla Krausseneck

In einer durchsichtigen Schachtel liegt ein gefaltetes weißes Tuch. Es ist mit Spitze gesäumt und hat eine leicht dreieckige Form, wenn es ausgebreitet wird - fast wie ein Kleid. Kein gewöhnliches Kleid jedoch: Ein solches Gewand wird von seiner muslimischen Besitzerin fünfmal am Tag zum Gebet angezogen. Hergestellt wurde es in Syrien von Freunden der Frau, die den weißen, fließenden Stoff in Händen hält. Hana Al-Ksebati, so heißt die 39-jährige Mutter zweier jugendlicher Kinder, hat es sich aus der Heimat schicken lassen. Sie wird ein Foto davon anfertigen und es auf Facebook veröffentlichen, auf einer eigens dafür angelegten Seite namens "Hana Eleganz Schal". Und dann hoffen, dass es jemand kaufen möchte. Die Chancen stehen gar nicht schlecht: Die Tücher, die sie auf ihrer Internet-Seite anbietet, seien beliebt, sagt Al-Ksebati.

Bis vor drei Jahren lebte Al-Ksebati noch mit ihrem Ehepartner und den beiden Kindern, der heute 17-jährigen Ranim und dem 15-jährigen Osama, in Damaskus. Ihr Mann Muafaq Al-Mufti arbeitete als Buchhalter in der amerikanischen Botschaft und betrieb einen Computerladen. Als die US-Botschaft schloss, mussten die Eltern mit ihren Kindern die Flucht ergreifen. Nachdem sie ein halbes Jahr lang darauf gewartet hatten, bekamen sie ein Visum für die Einreise nach Deutschland: In einem Kühllaster setzte sich die Familie nach Libanon ab, um von dort aus mit dem Flugzeug weiter zu reisen.

Deutschland war aber nicht das ursprüngliche Ziel von Al-Ksebati und Al-Mufti - sondern Schweden. Dort seien Schule und Integration hervorragend, erzählte man sich, ein guter Ort zum Leben. Deshalb kaufte Al-Mufti die Tickets nicht etwa nach Deutschland, sondern nach Stockholm. Die Reise verlief ohne Probleme, und zunächst sah es auch so aus, als könnte die Familie in Schweden Fuß fassen. Die Kinder besuchten die Schule, lernten die Sprache, fanden Freunde. Dann kam der Brief von der Behörde. Als Al-Ksebati und Al-Mufti in Deutschland ein Visum beantragt hatten, mussten sie ihre Fingerabdrücke abgeben - somit galt Deutschland als das erste europäische Land, das sie betreten hätten. Nach dem Dublin-III-Abkommen bedeutete dies: sofortige Abschiebung in die Bundesrepublik.

Kurz darauf fand sich die syrische Familie in Hamburg wieder, wo sie jedoch nur eine einzige Nacht verbrachte, ehe sie mit Sack und Pack im Zug nach München weitergeschickt wurde. Sie kam für einen Monat in eine Container-Unterkunft, danach wurde sie in eine Wohngemeinschaft mit einer anderen Familie gesteckt - Mutter, Vater und die beiden Teenager teilten sich ein Zimmer. Nach weiteren zwei Monaten der nächste Umzug, diesmal in eine Wohngemeinschaft mit größerem Haus, in dem die Familie ein wenig mehr Platz, nämlich zwei Zimmer für sich hatte. Dort kehrte vorerst Ruhe ein, acht Monate blieben Al-Ksebati und Al-Mufti im neuen Domizil. Eines Tages erreichte sie der lang erwartete Brief mit der Anerkennung. Von jetzt an durfte das Ehepaar arbeiten und sich eine eigene Wohnung suchen.

Die haben sie im Tölzer Lettenholz gefunden: Wer durch die Eingangstür tritt, steht sofort im geschmackvoll mit modernen Möbeln eingerichteten Wohnzimmer. Auf dem Esstisch steht ein weißer Frauentorso, gekleidet in bunte Tücher aus Syrien, und davor ein Laptop mit einer geöffneten Internetseite. Kopftücher, Schals, Gebetskleider und -teppiche, manche Stücke handgemacht, andere industriell: Wer noch nie auf einem syrischen Basar war, kann auf Al-Ksebatis Facebook-Seite einen Eindruck davon gewinnen, wie bunt es dort zugehen muss. Ihre Kunden seien übrigens nicht nur Muslime, sagt sie: "Die deutschen Frauen lieben diese Schals", sagt sie und zieht ein anderes Stück Stoff hervor, einen mit handbemaltem Seidenteil. Eine Tölzer Flüchtlingshelferin habe einen ganzen Stapel gekauft, um ihn an Freundinnen zu verschenken.

Zu den Flüchtlingshelfern haben Al-Ksebati und vor allem Al-Mufti den besten Kontakt: Al-Mufti arbeitet für die Initiative Asylplus, die Flüchtlingsheime mit Computern ausstattet, an denen die Benutzer dann Deutsch lernen können. Auf diese Weise hat auch ihr Mann Deutsch gelernt. Al-Ksebati kann sich inzwischen auch gut verständigen, sogar den Führerschein hat sie trotz Sprachbarriere bestanden. Ihr Ziel: sich mit dem Verkauf über Facebook einen Nebenverdienst zu sichern und dabei weiter Deutsch zu lernen. Auch, wenn sie nicht den Rest ihres Lebens in Deutschland verbringen will. Eines Tages, sagt Al-Ksebati, wolle sie auf jeden Falls zurück nach Hause, nach Syrien.

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