Inklusionsprojekt in Bad Tölz:Märchenhaftes Miteinander

Inklusionsprojekt in Bad Tölz: Auf der Bühne (v. li): Robert Resler (Räuber, Reh), Martin Schröder (Wind, Reh, Detektiv), Regine Köhl (Mond, Reh), Michael Baindl (Baum mit Gitarre)

Auf der Bühne (v. li): Robert Resler (Räuber, Reh), Martin Schröder (Wind, Reh, Detektiv), Regine Köhl (Mond, Reh), Michael Baindl (Baum mit Gitarre)

(Foto: Hartmut Pöstges)

In der Komischen Gesellschaft spielen behinderte und nichtbehinderte Menschen zusammen Theater. Regisseurin Ulla Haehn lässt den Akteuren Raum, ihre Rollen selbst zu entwickeln

Von Petra Schneider, Bad Tölz/Geretsried

Ein kleiner Sketch war der Ausgangspunkt: Zwei Birken im Wald, ein scheues Reh, ein Wilderer. Dabei ist es nicht geblieben, aus dem Sketch wurde "ein märchenhafter Kriminalfall", samt singender Fee und Schatzkästchen, Königssohn und Detektiv. "Einer der Schauspieler wollte unbedingt Sherlock Holmes sein", erzählt Regisseurin Ulla Haehn. Und einen Wolf fanden alle "viel cooler als einen Hund". Auch aus dem Wilderer sei schließlich "ein ganz schlimmer Dieb" geworden.

Ein besonderes Stück hat sich so entwickelt, mit besonderen Schauspielern. Menschen mit und ohne Behinderung spielen gemeinsam Theater, und das sollte eigentlich gar nichts Besonderes sein, sondern Normalität, findet Haehn. "Wenn es uns mit der Inklusion wirklich ernst ist."

Haehn ist Mitglied und Regisseurin bei der Komischen Gesellschaft, die immer wieder integrative Theaterprojekte unterstützt. In ihrer Zeit an der Schule hat die pensionierte Lehrerin schon früher Theaterkooperationen und Schattenspiele mit der Lebenshilfe gemacht. Die Initiative zum aktuellen Projekt ging vom Arbeitskreis für Menschen mit Behinderungen (AfmB) des Landkreises und dem darin integrierten "Verein zur Förderung der gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder" aus. Es ist bereits die zweite Theaterproduktion des Arbeitskreises und Nachfolgeprojekt des "Theaters auf der Kippe", das beim Tollhaus-Festival im vergangenen Jahr anlässlich des 20-Jährigen Bestehens des AfmB auf die Beine gestellt wurde. "Das hat allen Beteiligten so viel Spaß gemacht, dass wir das wieder machen wollten", erzählt Regine Köhl, Mitglied im Arbeitskreis und Mitspielerin in der siebenköpfigen Gruppe. "Wo, wenn nicht im Theater, darf man mal der böse Räuber, die wunderschöne Prinzessin oder der pfiffige Detektiv sein?" Möglich gemacht wurde das Nachfolgeprojekt auch dank einer Spende aus dem SZ-Adventskalender. Wichtig für Köhl und AfmB-Sprecherin Elli Wilfling: "Alle sind willkommen." Viele junge Leute seien schulisch dermaßen eingespannt, dass für zusätzliche Projekte kaum Zeit bleibe. Auch bei Menschen mit Handicap oder deren Eltern gebe es Schranken, sagt Wilfling. "Kann ich, kann mein Kind das überhaupt?" - Bedenken, die unbegründet seien. Denn jeder werde gemäß seiner Fähigkeiten und Talente in die Gruppe eingebunden.

"Spielraum" ist ein Wort, das Regisseurin Haehn oft verwendet. Denn Spielräume zu gewähren und die Schauspieler nicht in ein Korsett zu zwingen, sei wichtig, nicht nur in einer integrativen Gruppe. Weil es keine Stücke für so einen bunten Haufen gebe, habe sie den einfachen Sketch angeboten und die Ideen der Teilnehmer in die Handlung integriert. "Jeder hat seine Rolle selbst entwickelt", sagt Haehn. Einige machten das nonverbal, "bei anderen lassen wir das so ein bisschen offen." Das funktioniere sehr gut, "weil sich alle Ernst genommen fühlen". Das habe viel mit Respekt zu tun. "Und mit Würde." Die Schauspieler seien mit Kreativität und Enthusaismus dabei, erzählt die Regisseurin - ebenfalls erkennbar begeistert. Seit Januar wird geprobt, einmal die Woche für eineinhalb Stunden. Länger nicht, um die Schauspieler nicht zu überfordern. Bühnenbild, Kostüme, alles wird selbst gemacht. "Mit ganz einfachen Mitteln", sagt Köhl. Das Stück dauert eine halbe Stunde. Eines ist Regisseurin Haehn bei ihrem Theater ganz wichtig: "Dass das nicht dargestellt wird als Projekt für Menschen mit Behinderungen, sondern als Projekt an sich."

Termine 22. Juni, 18.30 Uhr Pfarrsaal Maria hilf, 26. Juni, 11.15 Uhr Pfarrsaal Petruskirche, 10. Juli 12.15 Uhr Pfarrsaal Heilige Familie (alle Geretsried). 17 Juli 15.30 Uhr Alte Madlschule Bad Tölz

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