Im Tölzer Rosengarten:Pilgerweg durchs Labyrinth

Lesezeit: 2 min

Knapp 40 Teilnehmer kommen zu einem Abend der Begegnung und Begehung. Dort hat Künstler Marco Paulo vor zwei Jahren einen Irrgarten aus mehr als 900 Trittsteinen angelegt. Vorbild ist das Muster auf dem Boden in der Kathedrale von Chartres

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Margot Kirste zog erst einmal die Schuhe aus. Der gemähte Rasen im Rosengarten ist schon warm genug, um barfuß zu laufen, aber die Stadträtin der Freien Wähler trieb eine andere Sorge um: "Ich hoffe, da sind keine Bienen." Trotz des frühsommerlichen Wetters waren am Donnerstagabend jedenfalls noch keine zu sehen oder zu hören. Kirste gehörte zu den knapp 40 Teilnehmern, die zur "Begegnung und Begehung" des Labyrinths in den alten Klostergarten gekommen waren. "Es gibt viele Möglichkeiten, was man bei dem schönen Wetter heute machen kann, aber das ist eine der besten", sagte der Tölzer Künstler Marco Paulo, der den Irrgarten vor zwei Jahren angelegt hatte.

"Labyrinthe sind mystische Orte", sagt der Künstler Marco Paulo. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mehr als 900 Granitsteine hatte er damals mit einigen Helfern für die Anlage mit einem Durchmesser von 16,4 Metern in den Rasen gesetzt. Allerdings nicht einfach so. "Jeder Stein wurde abgerieben, um jede Fremdschwingung wegzunehmen", berichtete Paulo, der dem Tölzer Kunstverein angehört. Wichtig war ihm auch die Ausrichtung auf den Kalvarienberg, der einer der kraftvollsten Plätze in Bad Tölz sei. Was das Muster anbelangt, so diente das Labyrinth auf dem Fußboden in der Kathedrale von Chartres als Vorbild, das im 13. Jahrhundert entstand, allerdings einen Durchmesser von lediglich 13 Metern hat.

"Labyrinthe sind mystische Orte", sagte Paulo. Ihren Ursprung hätten sie in Griechenland, die ältesten seien um die 5000 Jahre alt. "Man findet sie auf Zeichnungen in Höhlen oder auf Tonscherben." Solche Anlagen gebe es in China und Indien, im Nahen Osten und in Alaska, in Südamerika oder auch auf der Fraueninsel im Chiemsee. Schon in der Vorzeit müsse es Menschen ein Anliegen gewesen sein, etwas zu hinterlassen, wohin nachfolgende Generationen gehen könnten, meinte Paulo. Labyrinthe seien früher meist als Tanz- und Begegnungsplätze genutzt worden, beispielsweise bei Sonnwendfeiern.

Künstler Marco Paulo. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seine Idee, einen solchen Irrgarten aus Trittsteinen im Rosengarten zu schaffen, stieß in Bad Tölz anfänglich auf Zurückhaltung, ja Skepsis. Das dürfte vermutlich auch daran gelegen haben, dass der Künstler die Stelle im Park als einen "Kraftplatz" apostrophiert, den er erst um seine Einverständnis gefragt habe, ehe er das Labyrinth anlegte. Stadträtin Kirste setzte sich aber sofort für das Projekt ein, weil ein solcher Ort zu Tölz als Gesundheitsstandort passe, wo die Besucher zur Ruhe kommen und meditieren könnten. Das unterstrich auch Paulo: "Man kann das Labyrinth als Versammlungsort nutzen, zum Tanzen, zum Musikmachen, zum Tagträumen." Den Gang durch den Irrgarten verglich er mit "dem Pilgern auf unserem eigenen Lebensweg". Der gelbliche Stein am Eingang sei gewissermaßen die Geburt, danach beschreite man den Weg zum Zentrum in der Mitte, einer Rose aus sechs roten Steinen wie Blütenblätter. Wie im Leben gebe es viele Umwege und überraschende Wendungen, man könne nicht überholen, abkürzen oder ungeschehen machen. "Am schönsten ist es, wenn man schweigend geht und jede Platte wirklich mitnimmt", sagte Paulo. "Dabei gibt es kein Richtig und kein Falsch." Wer am Ende im Zentrum stehe, habe das Gefühl, nach einer langen Reise angekommen zu sein. Das konnten die fast 40 Teilnehmer dann selber ausprobieren.

Dazu spielten die "Klang-Poeten" aus Bad Tölz. Auf Klangschalen und auf einer Kora erzeugen Heidrun Krächer und Marcus Ottschofski meditative Töne, die sich wie Musik gewordene Federwölkchen anhören. Das Labyrinth wird Paulo zufolge ziemlich häufig benutzt. Dies hätten ihm auch Mitarbeiter der benachbarten Tourist-Information bestätigt, erzählte der Künstler. "Sie können das ja von dort oben sehen."

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: