Iffeldorf:Doppelter Wahnsinn

CONCERTO MELANTE Mitglieder und Gäste der Berliner Philharmoniker

"Wir fühlen und hier wie zu Hause": Das Concerto Melante bei den Iffeldorfer Meisterkonzerten.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das "Concerto Melante" muss in Iffeldorf eine "Follia" zweimal geben

Von Sabine Näher, Iffeldorf

Wenn das Publikum am Ende eines Konzertabends das Schluss-Stück noch einmal hören möchte - dann haben die Musiker ihre Sache offenbar sehr gut gemacht. Doppelter Applaus also für das Concerto Melante in Iffeldorf.

Der Abend begann mit gegenseitigen Nettigkeiten. Dass das Ensemble nun schon zum wiederholten Male im Gemeindezentrum zu Gast sei, dürfe als Ausdruck der besonderen Freundschaft zwischen Berlin und Iffeldorf gewertet werden, erklärte Andrea Fessmann, als sie das Publikum im voll besetzten Saal begrüßte. Raimar Orlovsky, einer der vier Geiger des Concerto Melante, griff dies auf: "Wir fühlen uns hier wie zu Hause."

Die acht Musiker, vier sind Mitglieder der Berliner Philharmoniker, vier spielen in Ensembles für Alte-Musik, alle gehören den "Berliner Barock Solisten" an, haben sich nach Georg Philipp Telemann benannt, der "Melante" als Anagramm aus seinem Nachnamen erdachte. Der in Magdeburg geborene Telemann stand am Samstagabend allerdings nicht auf dem Programm, sondern ausschließlich italienische Komponisten der Barockzeit unter dem Titel "La Dolce Vita".

Bekanntes wie Vivaldis Konzert für zwei Violinen a-Moll stand bewusst neben rarem Repertoire, zu dem die Werke Domenico Gallos zu zählen sind, eines um 1730 geborenen Komponisten, dessen Leben und Schaffen weithin im Dunkeln liegen, wie Reinhard Szyszka in seinem Einführungsvortrag erklärte. Ohne Manuskript sprach er kenntnisreich über die Werke und illustrierte seine Aussagen mit Tonbeispielen.

Konzerte für zwei und vier Soloviolinen standen im Mittelpunkt, eine Spezialität des Barock, da später bevorzugt ein Soloinstrument gewählt wurde und die seltenen Fälle mit mehreren Solisten immer verschiedenen Instrumenten zugedacht wurden, was ebenso für die Vokalmusik gilt: Duette oder Terzette für gleiche Stimmen kommen praktisch nicht vor. Dabei ergibt sich hier wie dort aus der Verschiedenheit in der Gleichheit ein besonderer Reiz.

Die acht Musiker des Concerto Melante spielen auf Originalinstrumenten, neben den Violinen sind das eine Viola, ein Violoncello, ein Violone und ein Cembalo. Bei diesen ist das (Nach-)Stimmen besonders wichtig, was Orlovsky zur Versicherung an das Publikum veranlasste, sie seien durchaus gut vorbereitet, müssten aber dennoch hin und wieder stimmen. Wie andere klein besetzte Ensembles spielt auch dieses ohne Dirigent, was zur Barockzeit ohnedies üblich war. Das erfordert ein besonderes Aufeinanderhören, Blickkontakt, Körpersprache - für den Zuhörer auch ein optisches Vergnügen. Das akustische ließ ohnehin keine Wünsche offen. Beispielhaft sei die "Sonate à 5 con concertino"- Konzert für vier Violinen in D-Dur eines anonymen Komponisten, vom Ensemble daher "Waisenkind" genannt, angeführt: Das eröffnende Vivace entfaltet graziöse Anmut, im folgenden Allegro sind die vier Geigen kunstvoll verflochten, im Grave perlen Silbertöne aus dem Cembalo, das Vivace verströmt pure Lebenslust - "Dolce Vita".

Das absolute Schmankerl gab's zum Schluss: Domenico Gallos "Sonate à quattro für Streicher - La Follia". Zuvor verabschiedet sich Orlovsky vom Publikum: "Sie werden es hoffentlich so genossen haben wie wir. Die nun folgende 'Follia' ist ein ganz besonderes Stück: ein Tanz, der in der Ekstase endet. Wir hoffen, dass Sie da richtig mitgehen." Das "Follia"-Thema, ein portugiesischer Tanz aus dem 16. Jahrhundert, hat zahlreiche Komponisten aller Zeiten immer wieder gereizt. Gallos Werk beginnt mit einer elegischen Einleitung, stellt das Thema mit süßem Schmerz vor und lässt die folgenden Variationen durch alle denkbaren Gefühlswelten führen: höchst expressiv, absolut virtuos, ein furioses Cello-Solo eingeschlossen. Danach ist keine Zugabe denkbar. Doch das Publikum klatscht und klatscht und klatscht. Vorsichtige Frage Orlovskys: "Wollen Sie die Follia vielleicht noch einmal hören?" Jaaaa!

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