Ickinger Genossen:"In Stein gemeißelt ist die Frau schließlich nicht"

Lesezeit: 2 min

Die Ickinger SPD schreibt einen Brief an Martin Schulz und einige Genossen fordern den Rücktritt von Angela Merkel

Von Claudia Koestler

"Lieber Martin": So adressiert wird der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz in wenigen Tagen Post aus Icking erhalten, per Einschreiben und unterzeichnet "in solidarischer Freundschaft, deine Genossen." Der Grund, warum die Ickinger SPD zur Feder greift: Einstimmig hatten die neun anwesenden Mitglieder einer Außerordentlichen Versammlung am Montag beschlossen, an Schulz zu appellieren. Er solle von seinem kategorischen Nein zu einer großen Koalition abrücken und mit der CDU/CSU in Verhandlungen treten.

Der klare Auftrag der Ickinger geht aber noch weiter. Denn nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche habe die SPD "eine der günstigsten Ausgangssituationen jemals", wie Wolfgang Bambuch sagte. Im Wortlaut schreiben sie deshalb Schulz: "Wir erwarten, dass die Inhalte unseres Wahlprogramms zum Inhalt der Verhandlungen gemacht werden". Und: "Das Ergebnis der Mitgliederbefragung wird sicherlich entscheidend vom Ausgang deiner Verhandlungen abhängig sein."

Bis dahin hatten es sich die Ickinger allerdings nicht leicht gemacht. Über eineinhalb Stunden hatten sie über das Für und Wider des Appells genauso wie über den Inhalt gerungen. Denn: "Das Problem ist nicht die Union, das Problem ist Merkel", sagte Sebastian d'Huc. Er vermisste in den bisherigen Diskussionen die Option, dass die Kanzlerin ihren Posten räume. "Man kann sagen, dass sie nur noch vor sich hin verwaltet". D'Huc wollte deshalb ihren Rücktritt zur Bedingung für Verhandlungen machen: "In Stein gemeißelt ist die Frau schließlich nicht." Nur so gelinge es, dass die SPD nicht länger als "wie die bockigen Kinder beleidigt in der Ecke" wahrgenommen werde. Sollte die Bedingung abgelehnt werden oder sollten die Verhandlungen scheitern, habe es die Partei wenigstens versucht, der schwarze Peter läge nicht bei ihnen. "Dann eben Minderheitsregierung oder Neuwahlen", schloss er.

Alfred von Hofacker, der zwar nicht länger Mitglied der SPD ist, kam ob der angeregten Debatte ins Grübeln: "Vielleicht bin ich zu früh ausgetreten", überlegte er. Denn er erlebte "eine Situation, die einmalig ist. Wir diskutieren, und das ist toll, denn wir spüren, dass wir auch Einfluss nehmen können." Er selbst habe jahrelang als Gemeinderat gelitten, "wenn wir ein spannendes Projekt hatten und mir dachte, wenn ich doch nur wüsste, wie die Gemeindebürger dazu stehen." So könnte es auch er Parteiführung gehen, und sie sei dankbar, wenn "Waschkörbe voll Stellungnahmen" kommen. "Wir nehmen viel zu wenig unsere Bürgerrechte wahr. Wir glauben, wir wählen alle vier Jahre und das war es dann", sagte er. Stattdessen müsse man Politik und Politiker begleiten: "Nur dann haben wir eine funktionierende, streitbare Demokratie." Sein Appell, dem alle anwesenden Ickinger Parteimitglieder folgten: "Schreibt den Brief!"

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: