Bauen:Gegen die Wohnungsnot müssen alle ran

Bauen: Paul Brauner bringt seine Erfahrung aus der Wolfratshauser Baugenossenschaft ein.

Paul Brauner bringt seine Erfahrung aus der Wolfratshauser Baugenossenschaft ein.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei einer Veranstaltung der Jungen Union appellieren Paul Brauner und Bürgermeister Michael Müller ausdrücklich auch an die kleinen Kommunen, verstärkt Baurecht zu schaffen

Von Claudia Koestler, Icking/Bad Tölz-Wolfratshausen

"Die Wohnungsnot spitzt sich zu", "Mietkosten für viele kaum noch tragbar" oder "25- bis 40-Jährige sind die Verlierer": Aktuelle Schlagzeilen, die der ehemalige Vorsitzende der Wolfratshauser Baugenossenschaft, Paul Brauner, am Mittwoch bei einer Veranstaltung der Jungen Union (JU) Icking zitiert hat. Trotzdem kommen soziale Wohnungsbau-Offensiven vor allem in den Landkommunen nur mühsam bis gar nicht voran. "Die Städte werden das Problem für die Gemeinden aber nicht länger lösen können", sagte Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller (CSU) dazu. Er gab seinen Amtskollegen deshalb an diesem Abend einen Arbeitsauftrag: "Auch die Gemeinden werden die Kröte schlucken müssen, künftig in den Geschosswohnungsbau zu gehen."

Fakt sei es, so Müller, dass in den kommenden 15 Jahren geschätzte 400 000 Menschen in die Region zuziehen werden. Doch die Frage, wo sie alle wohnen sollen, "werden wir nicht singulär lösen, sondern nur im Verbund", betonte er. Die Gemeinden müssten sich deshalb "dringend Gedanken machen, wo etwas siedlungsverträglich machbar ist. Da kommt ihr meiner Meinung nach nicht mehr drum herum".

Georg Frech junior von der JU Icking sagte, Singles und junge Familien wanderten in die Städte ab, weil es kein ausreichendes Wohnangebot gebe, Eigentum könnten sie sich schon gar nicht leisten. Für Icking etwa liegt der Bodenrichtwert derzeit bereits fast bei 1000 Euro pro Quadratmeter. Brauner zufolge haben weder die fünftgrößte Kommune des Landkreises - Dietramszell - noch Egling, Eurasburg oder Icking eine einzige öffentlich geförderte Wohnung, obwohl die Anzahl der Haushalte durch Singles und Geschiedene noch schneller steige als die der Bevölkerung. Nach Artikel 106 der Bayerischen Verfassung hat aber "jeder Bewohner Bayerns Anspruch auf eine angemessene Wohnung". Und die Förderung des Baus billiger Wohnungen ist demnach "Aufgabe des Staates und der Gemeinden". In der Tat gewährt der Staat zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse sowie Mietzuschüsse. Die Gemeinden müssen laut Brauner Grundstücke für den öffentlich geförderten Wohnungsbau baureif machen.

In Icking ist das Modell "Landwirt erhält für den Abtritt eines Teils an die Gemeinde Baurecht auf der Fläche" war mit der Huberweise erst im vergangenen Jahr an einem Bürgerentscheid gescheitert. Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) hatte daraufhin versucht, andere Flächen zu erwerben, doch es habe Absagen gehagelt. "Landwirte, die ihren Hof bewirtschaften, geben in der Regel Flächen nicht her", bestätigte Müller. Außerdem gelte nach wie vor der Grundsatz "Innenentwicklung vor Außenentwicklung". In Icking gebe es noch etwa 400 Baurechte, sagte Menrad: "Bevor diese ausgeschöpft sind, sieht der Gemeinderat keine Veranlassung, tätig zu werden." Da diese aber meist auf Privatgrund liegen, seien der Gemeinde bei der Entwicklung die Hände gebunden. Allerdings kündigte Menrad an, sie werde einen Appell an die Bürger richten, bestehende Einliegerwohnungen zu vermieten; und sie werde die Möglichkeiten ansprechen, neue zu schaffen.

Bürgermeister Müller sagte, in Geretsried würden in den kommenden Jahren 1200 Wohnungen gebaut, dennoch werde es nicht ohne die kleineren Gemeinden im Landkreis gehen: "Du kannst heute als Kommune keinen Zaun bauen und sagen, bei mir nicht, löst es bitte woanders." Icking selbst besitzt sechs Grundstücke: Rund 3200 Quadratmeter am Stocker Weiher, ebenso viel am Ichoring/Fuchsbichl, knapp 5600 Quadratmeter an der Bundesstraße 11 bei Dorfen, den dortigen Spielplatz mit etwa 1200 Quadratmetern und ein Areal an der Attenhauser Straße mit circa 4700 Quadratmetern. Auf dem größten Grundstück - rund 10 000 Quadratmeter am Schäftlarner Weg - scheiterten bislang jedoch Versuche, darauf ein Einheimischenmodell zu entwickeln.

Brauner hatte zu Beginn provokant erklärt, man werde mit der Veranstaltung "reichlich wenig bewirken"; dennoch ging Alfred von Hofacker "hochzufrieden" aus dem Abend. Er habe festgestellt, "dass erkannt wurde, dass wir beim Wohnungsbau ein gesamtgesellschaftliches Problem haben, das wir nur gemeinsam lösen können". In Icking gebe es viele, die sich wünschten, es bliebe in der Villenkommune am Isarhochufer auch in Zukunft alles so, wie es ist. Hier wünschte er sich "eine Umkehr der Tendenz".

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