Icking:"Paul Wenz hat keine Vorbildfunktion"

Bürgermeisterwahl  2014

Christoph Kessler hat die Causa Wenz ins Rollen gebracht.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Christoph Kessler und Maximilian Pick kritisieren das Hinausschieben einer Straßenumbenennung in Icking

Von Felicitas Amler, Icking

Der örtliche SPD-Vorsitzende Maximilian Pick kritisiert die Haltung des Ickinger Gemeinderats, in Sachen Wenzberg noch nichts zu entscheiden. Pick fordert, die Hangstraße, die nach dem nazibelasteten Ehepaar Paul Wenz und Else Wenz-Viëtor benannt ist, ohne neuerliche Recherchen umzubenennen. Der Gemeinderat hatte am Donnerstag in einem Stimmungsbild - ohne explizites Votum - einen Arbeitskreis ins Auge gefasst. Der SPD-Vorsitzende kommentiert dies mit dem Spruch: "Wenn man nicht mehr weiterweiß, gründet man 'nen Arbeitskreis."

Pick greift die relativierenden Äußerungen aus der Sitzung auf, wonach Wenz "nur" als Mitläufer einzustufen sei. Er fragt rhetorisch: "Wohin wäre die verbrecherische Clique der Entscheidungsträger um Hitler gekommen, wenn sie nicht so viele 'Mitläufer' gehabt hätte, nämlich einen großen Teil des deutschen Volkes."

Auf die NS-Verstrickungen des Ehepaars Wenz hatte Anfang des Jahres der Ickinger Christoph Kessler hingewiesen, Gründer des Vereins Klangwelt Klassik und Mitglied der SPD. Er war durch die Ausstellung über die Kinderbuchillustratorin und Designerin Else Wenz-Viëtor im Garmischer Museum Aschenbrenner darauf gestoßen. Museumsleiterin Karin Teufl beleuchtet dort auch die Rollen des Ehepaars Else Wenz-Viëtor und Paul Wenz in der Nazi-Zeit. Kessler hat den Stein in Icking ins Rollen gebracht und ist nun über die hinausschiebende Haltung des Gemeinderats enttäuscht. Er zitiert das berühmte Wort der politisch-philosophischen Publizistin Hannah Arendt von der "Banalität des Bösen", das sie anlässlich des Eichmann-Prozesses geprägt hat. Auch Kessler hebt damit auf das angebliche "Mitläufertum" des Ehepaars Wenz ab. Er erklärt: "Dieses Prinzip besagt, dass die Menschen-vernichtende Gewalt der Nazis versteckt wurde hinter einem fein verästelten riesigen autoritären Machtapparat, der den Mitwirkenden ihre Verantwortung für die Taten des Regimes abnahm, indem dieser Apparat die Teilaufgaben so klein machte, dass man in 'seinem' Teil sein Gewissen nicht in Gefahr sah. Und die Nachwelt auch nicht."

Der Initiator der Diskussion über den Wenzberg kritisiert, dass im Gemeinderat und den dort präsentierten Forschungsergebnissen weder Worte wie "Jude" oder "Verfolgter" fielen noch über "Juden unerwünscht"-Plakate in Icking gesprochen wurde. "Kein Wort über beschriebene Denunziationen und Nazi-Spitzel in Icking. Kein Wort von Nazi-Größen wie Martin Bormann, Goebbels-Schwester Kimmich und dessen Ehemann und Propagandafilmer, oder dem vom Englischen Kriegsgericht zu zwölf Jahren Haft verurteilten Generalfeldmarschall Erich von Manstein, die alle in Icking wohnten. Man wiegte sich in Ruhe." Dagegen sei in jeder kritischen Passage darauf hingewiesen worden, dass der Architekt Wenz doch auch seine guten Seiten gehabt habe und seine Funktionen nur formal bestanden hätten.

Kessler betont, es gehe nicht um Schuld. "Ein Straßenname ist keine moralische Kategorie, sondern hat Vorbildfunktion für die heutige Generation. Paul Wenz hat keine Vorbildfunktion", sagt er. Schon die bisher belegten Nazi-Funktionen von Paul Wenz machten aber jegliche Vorbildfunktion obsolet. Daher plädiere er für eine Umbenennung des "Wenzbergs" sowie eine Aufarbeitung der Nazi-Zeit in Icking über den "Wenzberg" hinaus.

Dies sieht Sybille Krafft, Ickinger Historikerin und Vorsitzende des Historischen Vereins Wolfratshausen, ähnlich. Ihrer Ansicht nach zeigt der Fall Wenz, wie nötig eine kritische Geschichtsarbeit auch in Icking sei. "Auch hier gab es offenbar braune Wortführer, willfährige Handlanger und heimliche Nutznießer. Auch hier wurden jüdische Bürgerinnen und Bürger ausgegrenzt, verhöhnt und vertrieben. Auch hier wurden nach dem Krieg 'Persilscheine' für Spruchkammerverfahren ausgestellt und über vieles ein Mantel des Schweigens gebreitet."

Krafft schrieb schon vor der Ickinger Sitzung, die nationalsozialistische Vergangenheit des Ortes sei nicht ausreichend erforscht. "Zu dieser Geschichtsvergessenheit passt es, dass noch in den Fünfzigerjahren eine Straße nach einem lokalen NS-Aktivisten benannt wurde, der eine überregionale Funktion hatte und von Nazi-Aufträgen ganz unmittelbar profitierte - von den NS-Bauten für die Rüstungsbetriebe in Geretsried bis zum NSV-Jugenderholungsheim in Mühldorf." Der Fall Wenz könne nicht isoliert von der allgemeinen Geschichte Ickings in jener Zeit gesehen werden. Um dies aufzuarbeiten, hätten Ickinger Mitglieder des Historischen Vereins Wolfratshausen der Gemeinde ihre Hilfe angeboten.

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