Icking:Magische Momente

Icking: Spannende Reise in Zwischenregionen: Das Trio Rafale im Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium Icking.

Spannende Reise in Zwischenregionen: Das Trio Rafale im Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium Icking.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das junge Trio Rafale aus Zürich begeistert bei der Reihe "Meistersolisten im Isartal"

Von Sabine Näher, Icking

"Vor zwei Jahren hat das Trio beim ARD-Wettbewerb unverständlicherweise keinen Preis bekommen. Deshalb haben wir sie eingeladen!" Mit dieser Eröffnung beginnt Susanne Kessler ihren Einführungsvortrag in den Konzertabend mit dem Zürcher Trio Rafale. Rund 20 Besucher haben sich dazu eingefunden und erfahren, die jungen Musiker hätten "Weltklasse-Qualität", was etliche bisher errungene Preise unter Beweis stellten. Das ist hoch gepokert und schraubt die Erwartungshaltung entsprechend nach oben. Was sich sofort feststellen lässt: Das Programm ist klug gebaut. Die geschickte Auswahl der aufzuführenden Werke ist immerhin der erste Schritt hin zu einem gelungenen Konzerterlebnis.

Beethoven, der die Gattung Klaviertrio auf eine neue Ebene hob, indem er die Instrumente völlig gleichberechtigt agieren lässt, eröffnet mit dem so genannten "Geistertrio". Darauf folgt die deutsche Erstaufführung eines für das Ensemble geschriebenen Werks. Den Schlusspunkt setzt Schubert, der Beethovens Neuerungen aufgriff und fortführte. Derweil lässt Kesslers mit Noten- und Tonbeispielen angereicherter Vortrag die Vorfreude weiter wachsen.

Die Stunde der Wahrheit schlägt mit dem Auftritt: Maki Wiederkehr, Klavier, Daniel Meller, Violine, und Fluron Cuonz, Violoncello, betreten das Podium des zu gut zwei Dritteln besetzten Saales. Als Studenten der Zürcher Hochschule der Künste fanden sie 2008 zusammen und wählten die französische Bezeichnung für Windböe als Ensemblenamen. Dieser sei als "Metapher für jede Art von musikalisch belebter Bewegung" zu verstehen, wie das ausführliche Programmheft erläutert.

Der Einstieg ins "Geistertrio" erfolgt mit beherztem Zugriff, aus dem sich opulente Klangfülle entwickelt, die das völlig ebenbürtige Miteinander sofort deutlich macht. Sehr klangschöne Cellopassagen und zart perlende Läufe im Klavier lassen aufhorchen. Der zweite Satz, dem das Trio seinen Beinamen verdankt, eröffnet mit fahlem Streicherklang, über den das Klavier wehmütig hinweg schreitet. Eine gemeinsame Steigerung der Expressivität wird abgelöst von schmerzlich-stiller Introvertiertheit. Es entstehen wunderbar tragende Spannungsbögen. Das abschließende Presto kostet mit Erleichterung die Rückkehr in lichte Gefilde aus, die kurze Reminiszenzen an die überstandene Dunkelheit enthält.

Der 1985 in Basel geborene Komponist Jannik Giger hat sein für das Trio Rafale geschriebenes Werk als "Caprice" bezeichnet. Seit über 300 Jahren sind damit Stücke gemeint, die in freier Form bewusst gegen die Regel verstoßen - ganz so wie eine kapriziöse Person. Ohne jedwede Ein- oder Hinleitung startet Gigers Stück mitten im Klanggeschehen. Dann entrollt sich so etwas wie ein wilder Traum oder ein zwischen Bewusstsein und Hinüberdämmern wechselnder Halbschlaf: Bekanntes, Vertrautes blitzt immer wieder auf, dazwischen schieben sich wirre und verwirrte Passagen des Nachdenkens, Sich-Erinnerns, Infragestellens, Grübelns. Eine spannende Reise in Zwischenregionen, durch verschiedene Bewusstseinsphasen, die das Publikum packt, was der heftige Beifall belegt.

Nach der Pause dann Schuberts wunderbares Klaviertrio Es-Dur, D 929, ein Jahr vor seinem allzu frühen Tod entstanden. Das Allegro entfaltet schön fließende Linien, die das immer wieder dazwischen geschobene, fragende, schmerzliche Innehalten umso deutlicher hervorheben. Das düstere c-moll-Thema des zweiten Satzes scheint jedoch etwas zu diesseitig; das hat man schon wie aus einer anderen Welt herüber klingen hören. Die wilden, dramatischen Ausbrüche überzeugen dagegen vollkommen. Das Scherzo führt nach dieser Seelenerkundung zurück in rationale Welten. Der Schlusssatz hebt an wie ein Epilog, wie ein Zurückschauen mit Abstand, aus einer neu erreichten, überlegenen Position. Doch dann schleicht sich eine Unruhe ein (Rückschau auf Überstandenes oder Vorschau auf Kommendes?), gefolgt von zuversichtlichen Passagen, wie ein sich selbst Mut Zusprechen. Der Satz kulminiert im Ausloten gegensätzlichster Gefühlszustände. Der Hörer erlebt ihn als große Katharsis. Magische Momente!

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