Icking:Im Dienste des Ausdrucks

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Ihm gehörte der zweite Abend in der Reihe "Meistersolisten im Isartal": Pianist Florian Mitrea aus Rumänien. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Pianist Florian Mitrea spielt Haydn, Beethoven und Prokofjew in Icking

Von Reinhard Szyszka, Icking

Der zweite Abend gehört einem Pianisten - so ist es gute Tradition bei den "Meistersolisten im Isartal". Auch das neue Organisationsteam hält am Bewährten fest und setzt einen Klavierabend als zweites Konzert der Abo-Reihe an. Diesmal war es der rumänische Pianist Florian Mitrea, der seinen Auftritt in Icking hatte. Und es passte gut zum seriösen Gesamtkonzept der Reihe, dass sich Mitrea nicht bei der typischen Virtuosenliteratur bediente, sondern Haydn, Beethoven und Schubert aufs Programm setzte. Auch das abschließende Prokofjew-Werk war die noch einigermaßen gemäßigte sechste Sonate, nicht die halsbrecherische siebte.

Eine Stunde vor Beginn des Konzerts gab die Musikwissenschaftlerin Maria Goeth einen Einführungsvortrag mit Beamer-Projektion und Tonbeispielen. Frei und locker plaudernd, ohne Manuskript, führte Goeth in das weit gespannte Programm ein. Sie untermalte die Hörbeispiele mit fast theaterreifer Gestik und Mimik und würzte ihren Vortrag mit der nötigen Prise Humor. Doch bei jedem Wort spürte man die eminente Sachkenntnis und die tiefe Liebe zur Musik. Wer diesen Vortrag verpasst hat, der hat wirklich etwas versäumt.

Der kleine Konzertsaal im Ickinger Gymnasium war diesmal erfreulich gut besucht, und bevor der Pianist loslegen durfte, wurden noch die Schüler aus Oberhaching geehrt, die die neue Homepage des Vereins kreiert hatten. Dann begann endlich die Musik. Mitrea eröffnete sein Programm mit der Es-Dur-Sonate von Joseph Haydn, der wohl einzigen Haydn-Sonate, die auch von professionellen Pianisten häufig gespielt wird. Das Werk ist 1794 entstanden, und Mitrea verortete es nicht im achtzehnten Jahrhundert, sondern im heraufdämmernden neunzehnten. Mit farbigem Anschlag und differenzierter Pedaltechnik arbeitete er die Ausdrucksnuancen der Sonate heraus, scheute sich auch nicht, die dynamischen Gegensätze deutlich, fast überdeutlich herauszuheben. Das war alles andere als ein brav-harmloser "Papa Haydn", sondern Musik, die weit in die Zukunft weist.

Der unbedingte Gestaltungswille Mitreas steigerte sich noch beim nächsten Werk, der berühmten Waldstein-Sonate von Beethoven. Der Künstler verzichtete radikal auf pianistische Selbstdarstellung und setzte Ausdruck vor Brillanz, auch um den Preis, beim einen oder anderen Akkord mal danebenzuhauen oder die Läufe im Pedalnebel zu verwischen. Die Kontraste zwischen laut und leise gerieten manchmal extrem. Beim ersten Satz verzichtete der Pianist - wie schon bei Haydn zuvor - auf die Wiederholung der Exposition. In Anbetracht der Länge des Gesamtprogramms sicher eine vertretbare Entscheidung; dennoch war die Balance der Sätze gestört. Das schöne Finalthema der Waldstein-Sonate klang bei Mitrea nicht leuchtend und hoffnungsfroh, so wie man es kennt, sondern schmerzlich und tragisch. Trotz der Dur-Tonart klang die Sonate im düsteren Pessimismus aus.

Nach der Pause dann die a-Moll-Sonate von Schubert. Und siehe da: Hier vertraute Mitrea der Tragik, die in der Musik selbst angelegt ist, und verzichtete darauf, noch einen draufzusetzen. Er ließ einfach die Musik für sich selbst sprechen - und erreichte gerade so die größte Wirkung. Wunderbar das liedhafte Andante mit dem "Geistermotiv", bestechend auch die nervöse Unruhe des Finales. Die Sonate war klaviertechnisch sicher der einfachste Teil des Programms; dennoch nahm Mitrea sie nicht auf die leichte Schulter. Vor der abschließenden Prokofjew-Sonate gab der Pianist ein paar Werkerläuterungen auf Englisch, und das hätte nun wirklich nicht sein müssen. Vor allem zeugte es von einer groben Instinktlosigkeit gegenüber Goeth, die genau die gleichen Informationen zuvor in ihrem Einführungsvortrag vermittelt hatte. Sicher, nicht jeder war im Vortrag, aber da gab es ja noch Goeths Aufsatz im Programmheft, wo die Dinge ebenfalls standen.

So war man froh, als sich Mitrea wieder an den Flügel setzte und die Sonate spielte. Man merkte gleich, dass ihm diese Musik besonders lag. Hier konnte der Künstler seine stupende Virtuosität ausspielen, denn auch wenn die sechste Sonate technisch nicht so überfrachtet ist wie die siebte, erfordert doch auch sie enormes Können. Die Sehnsucht nach einer besseren Welt, die Bedrohung durch den heraufziehenden Zweiten Weltkrieg - Prokofjew hat alles in seiner Musik angelegt, und Mitrea wusste es umzusetzen und den Zuhörern zu vermitteln. Zweifellos war die Prokofjew-Sonate der Höhepunkt des Abends. Großer, berechtigter Applaus. Mitrea bedankte sich mit dem bekannten D-Dur-Rondo von Mozart, ganz schlicht und unprätentiös gespielt.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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