Icking:Große Kunst zum kleinen Jubiläum

Icking: Die vier Polen des "Apollon Musagète Quartetts" spielten in Icking vor einem enthusiastischen Publikum.

Die vier Polen des "Apollon Musagète Quartetts" spielten in Icking vor einem enthusiastischen Publikum.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Furioser Applaus für das "Apollon Musagète Quartett" beim Fünfjährigen von Klangwelt Klassik

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Icking

Viele Worte zu machen, das ist eigentlich nicht die Sache von Werner Wellhöfer. Vor allem, wenn es um nichts anderes als die Musik geht. Aber zum fünfjährigen Bestehen des Vereins Klangwelt Klassik musste dessen Vorsitzender dann doch etwas ausführlicher werden, auch wenn die Zuhörer in der vollbesetzten Aula des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums ungeduldig auf den Auftritt des Apollon Musagète Quartetts warteten.

"Hohes Niveau von der ersten Stunde an zu garantieren", so sagte Wellhöfer, sei das Prinzip seines Vorgängers Christoph Kessler und dessen Frau Susanne gewesen. Und dieses Niveau habe man gehalten. Sprach's unter rauschendem Beifall des Publikums, nicht ohne zu versprechen, dass das neue Team daran festhalten wolle, damit man sich in fünf Jahren in ähnlich feierlicher Lage befinde, wie an diesem Abend.

Diesen Abend begannen alsdann die vier Polen des Apollon Musagète Quartetts mit einem echten Jubiläumsstück. Das "Andante Festivo" von Jean Sibelius hatte sich ein Sägewerkbesitzer 1922 zum 25-jährigen Bestehen seiner Firma von dem Komponisten bestellt. Kein besonders tiefgründiges Werk, aber kurz und bündig feierlich, wozu sich Sibelius hinreißen ließ, obwohl er lieber an der Symphonie weiterarbeiten wollte, die ihn zu dem Zeitpunkt beschäftigte. Das Stück war allerdings der Anfang eines kuriosen Programms. Nicht das gängige Repertoire hatten die Musiker nämlich ausgewählt, sondern Unbekannteres, aber auf gar keinen Fall Uninteressantes.

Auf den Auftakt mit Sibelius folgte das Streichquartett Nr. 2 des Russen Anton Stepanowitsch Arenski von 1894. Ein Werk, in dem der Schüler von Nikolai Rimsky-Korsakov und Lehrer von Sergej Rachmaninow ganz viel von dem aufgriff, was seinerzeit musikalisch en vogue war. Ein Liedthema des großen Vorbilds Peter Tschaikowsky inspirierte Arenski zur "Romanze", dem zweiten Satz seines Streichquartetts. Und im Finale griff er ein Thema aus Beethovens op. 59 Nr. 2 auf.

Insofern lieferte das Apollon Musagète Quartett mit dem Außenseiter Arenski - quasi über die Hintertür - den Zugang zum Kern-Repertoire der Streichquartett-Literatur. Und dies auf einem wirklich sagenhaften musikalischen Niveau. Es ist einmalig, wie die vier Musiker, die 2008 beim ARD-Musikwettbewerb den 1. Preis errangen, zu einem unverwechselbaren gemeinsamen homogenen Klang finden. Und wie jeder von ihnen mit klarer, profilierter Pose zum Solo heraustreten kann, um sich anschließend wieder perfekt in den Gesamtklang einzuordnen.

Nach launig angeregten Gesprächen in der Pause, in der viele beglückte Gesichter von Kammermusikfreunden zu sehen waren, ging es anschließend mit ebenso erlesenem musikalischem Anspruch weiter. Auch der Norweger Edvard Grieg, durch seine Peer-Gynt-Suite und andere symphonische Werke reichlich populär und bekannt, ist als Streichquartett-Komponist ebenso wenig geläufig wie Arenski. Aber er zeigt in seinem 1878 in Köln uraufgeführten g-Moll-Quartett op. 27, wie ihn das Streichquartett-Schaffen auf dem Stand seiner Zeit beschäftigte. Aus seiner Kenntnis der Formsprache von Mozart und Beethoven schuf Grieg ein einzigartiges, kühnes Werk mit eigenen Mitteln und versteht sich damit als Bindeglied von den Klassikern hin zu Modernisten wie Claude Debussy.

Für die Streicher des großartigen Apollon Musagète Quartetts gab es in Griegs Musik allerlei Herausforderungen zu knacken, wie sie solch einem technisch brillantem Ensemble gerade recht sind. Kontrapunktische Verflechtungen ebenso wie folkloristische Momente, die den unmittel-baren musikantischen Zugriff erfordern. Auf beides verstehen sich die Polen fantastisch. Dafür ist das 2006 in Wien gegründete Ensemble zwei Jahre später beim ARD-Musikwettbewerb bekannt geworden. Ihr Markenzeichen gilt noch immer: Technische Perfektion ordnen sie notfalls und immer dem lebendigen Musizierdrang unter. Das Risiko, dem sie sich dafür aussetzen, ist genau das, was ihre Interpretationen so aufregend macht.

Zum Ende des Abends erntete das Apollon Musagète Quartett zu Recht furiosen Applaus und lang anhaltendes Bravo. In der Zugabe zeigten die vier, dass sie auch noch ganz anders können. Sie bedankten sich mit einem hinreißenden Arrangement zu dem Tango-Klassiker "Vida Mia" von dem Argentinier Osvaldo Fresedo. Damit empfahlen sie sich als hervorragendes Tanzensemble für eine Milonga, bei der Argentiniern Tränen in die Augen treten würden.

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