Icking:Aprilfrische Belästigung

Ein Ickinger Ehepaar streitet sich mit seinen Nachbarn vor Gericht - weil es sich vom Waschmittelgeruch gestört fühlt.

Von Benjamin Engel, Icking

Damit sich Waschmittel besonders gut verkaufen, sollen sie möglichst frisch und angenehm riechen. Für den perfekten Duft beschäftigen die Hersteller sogar Parfümeure. Doch statt feiner Wohlgerüche nimmt ein Rentner-Ehepaar aus Icking nur unangenehmen und aus ihrer Sicht gesundheitsschädlichen Gestank wahr, sobald die Nachbarn im Mehrfamilienhaus gleich oberhalb ihre Wäsche waschen. Deswegen klagen die beiden Senioren vor dem Amtsgericht Wolfratshausen wegen Unterlassung. Doch auch nach mehreren Verhandlungstagen und Gutachten steht eine Verständigung noch aus. Die Kläger verlangen am Mittwoch ein weiteres Gutachten. Die Richterin will ihre Entscheidung Anfang Dezember verkünden.

Für das klagende Ehepaar ist klar: Die im Waschmittel der Nachbarn enthaltenen Duftstoffe strömen über den Schlauch des Wäschetrockners aus dem Kellerraum ins Freie - und von dort hangabwärts direkt auf ihr Grundstück. Werde gewaschen, könnten sie nicht mehr ins Freie gehen, klagen die beiden Senioren. Die Frau legt sogar einen Arztbrief vor, wonach es möglich sei, dass die Düfte sie gesundheitlich beeinträchtigen könnten. Beide zweifeln die Modellberechnungen im Gutachten eines Sachverständigen an, wonach die Richtwerte laut Geruchsimmissionsrichtlinie nicht erreicht werden.

Denn der pensionierte Diplom-Meteorologe beharrt darauf: "Die prognostischen Modelle sagen nichts aus über die bodennahen Kaltluftabflüsse." Mit geringerer Sonneneinstrahlung bilde sich eine kühlere Luftschicht direkt am Boden. Dadurch drifteten die Duftstoffe aus dem Kellerfenster des Nachbarhauses in Hauptwindrichtung auf ihr Grundstück. Die im Gutachten angewandeten Modellberechnungen würden diesen tatsächlichen Verhältnissen zwischen den Grundstücken einfach nicht gerecht.

Der Sachverständige gibt den Klägern in einem Punkt immerhin recht: Mit dem Ausbreitungsmodell für Schadstoffe ließen sich Kaltluftabflüsse in einem so nahen Bereich nicht erfassen. Deswegen habe er sich auf eine Methode des Deutschen Wetterdienstes gestützt und Daten der 13 Kilometer entfernten Wetterstation in Perchting (Landkreis Starnberg) zugrunde gelegt. Demnach entstünden solche Kaltluftabflüsse mit einer Wahrscheinlichkeit von 6,7 Prozent. Der laut Geruchsimmissions-Richtlinie zulässige Richtwert von zehn Prozent in Wohngebieten werde nicht überschritten. Die Methode sei auch beim Ausbau des Flughafens in Frankfurt am Main angewendet worden.

Der Sachverständige hatte für sein Gutachten die Beklagten sogar Wäsche waschen lassen. Er erklärte, dass den zugezogenen Probanden kein unangenehmer Geruch aufgefallen sei. Doch das Klägerpaar verlangt weiterhin Abhilfe vom Hauseigentümer und den beiden beklagten Mietparteien: Sie sollen im Keller Abluftschächte ziehen und so die Duftstoffe, die aus dem Waschmittelaustreten, umleiten oder Kondensationswäschetrockner anschaffen. Immerhin ein Mieter hat den bisherigen Abluft- gegen einen solchen Trockner ausgetauscht. Damit sei die Klage gegen diesen erledigt, sagte der Rechtsanwalt der Kläger.

Der Hauseigentümer will endlich einen Schlussstrich ziehen. Die Anschuldigungen der Kläger hätten vor zehn Jahren begonnen - und zwar gegen jeden Mieter. "Wir kriegen Wurfzettel und wütende Drohanrufe." Die Wäsche zu waschen, sei doch eine normale Alltagshandlung. Die Situation sei für ihn und seine ganze Familie äußerst belastend. "Selber schuld", kontert der Kläger. Richterin Mareike Preisner regt zwar noch eine Mediation zwischen den Streitparteien an, bleibt damit aber erfolglos.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: