Hoher Pegel:Ein Deich im Dorf

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Um die Anwohner der Großen Gaißach vor einem Hochwasser des Wildbachs zu schützen, plant das Wasserwirtschaftsamt unter anderem einen Erdwall.

Von Klaus Schieder

Als das Wasserwirtschaftsamt Weilheim seine ersten Überlegungen anstellte, wie der Hochwasserschutz am Wildbach "Große Gaißach" im Süden von Bad Tölz aussehen soll, regte sich Unruhe unter den Anwohnern. Kommt da ein drei Meter großer Erdwall vor ihre Häuser? Verschwindet der Bolzplatz auf der Wiese neben dem Bach? Werden die Bäume am Ufer gefällt? Wer trägt dafür die Kosten? "Da herrschte erst einmal große Aufregung", sagt die Tölzer Stadträtin Camilla Plöckl (SPD). Deshalb organisierte sie ein Treffen mit Vertretern der Behörde, das am Donnerstagabend mit einem Spaziergang über die Wiese und einem anschließenden Informationsabend im Pfarrheim Heilige Familie stattfand. Mehr als 60 Anlieger waren gekommen. Dora Schulze bezeichnete den Bau eines Deichs als notwendig, um die Siedlung nördlich der Blombergstraße zu schützen, die im Überschwemmungsgebiet des Wildbachs liegt. Außerdem könne man erst danach mit dem Hochwasserschutz für das Gewerbegebiet am Moralt-Gelände in Bad Tölz fortfahren. "Beide Projekt hängen zusammen", sagte die Abteilungsleiterin für den Landkreis im Wasserwirtschaftsamt.

Hochwasserdeich Große Gaißach WWA-Grafik zum Hochwasserschutz am Wildbach Große Gaißach im Süden von Bad Tölz. Gezeigt wird der Deichverlauf (Foto: oh)

Der neue Deich beginnt mit einer Höhe von nur einem halben Meter östlich der Umspannstation. Dort wird er kaum zu sehen sein. "Wir passen ihn an das Gelände an", sagte Heiko Nöll vom Ingenieurbüro CDM Smith Consult GmbH aus München, das mit den Planungen beauftragt ist. Der Erdwall zieht sich dann am Umspannwerk vorbei hinunter zum Bolzplatz, wo er eine Höhe von 1,50 Metern erreicht, und schwenkt dahinter nach Süden bis nahe an die Bundesstraße 13, wo er bis zu 2,50 Meter hoch sein soll. Mit diesem Verlauf soll das Hochwasser wieder zurück in die Große Gaißach und von dort weiter in die Isar geleitet werden. Damit das problemlos geschehen kann, muss das kleine Stauwehr nahe der B 13 abgerissen werden, das sonst ein Hindernis wäre. Stattdessen plant das Wasserwirtschaftsamt eine tiefe Natursteinrampe. Auch unter der kleinen Brücke an der Bundesstraße muss mehr Platz geschaffen werden, weshalb die Behörde das Fundament untergraben und neu gestalten muss, möglicherweise mit einer stählernen Spundwand. Damit soll bis zu einem Meter mehr Höhe für das Wasser unter der Brücke sein. Für Nöll hat dies auch ökologische Vorteilte. So könnten dort künftig auch Fische durchschwimmen, sagte er.

1966 gab es das bisher schlimmste Hochwasser an der Großen Gaißach, wie Projektleiterin Andrea Vogg vom Wasserwirtschaftsamt berichtete. 2002 kam es zu einem 30-jährlichen Hochwasser - einer Überflutung also, die einmal in 30 Jahren vorkommen kann. Der neue Deich ist auf eine Abflussgeschwindigkeit von 92 Kubikmetern pro Sekunde und damit auf ein hundertjährliches Hochwasser ausgelegt. In seinen Berechnungen hat das Wasserwirtschaftsamt noch fünf Prozent zusätzlich für das Geschiebe und 15 Prozent als Klimawandel-Zuschlag eingerechnet. Wie Vogg mitteilte, sei bei der Pegelstation in Mühl ein maximaler Abfluss von 50 Kubikmetern pro Sekunde bei Überschwemmungen an dem Wildbach in den vergangenen drei Jahrzehnten gemessen worden.

Im Zuge des Hochwasserschutzes verlegt die Behörde auch das Rohr, das von einem Anwesen südlich der Blombergstraße nach Norden in die Alte Gaißach führt. Die neue Ausleitung, die auch für Löschwasser gebraucht wird, soll nun von der großen Kurve, die der Wildbach um den Discounter auf Gaißacher Flur schlägt, direkt nach Westen gehen. Mehrere Anwohner wollten wissen, was mit den Uferbäumen geschieht, die den Wildbach säumen. Nöll zufolge ist ein Freibord aus Wasserbausteinen oder Winkelstützmauern vorgesehen - und zwar auch zum Supermarkt hin, der sonst überflutet würde. "Das wäre ziemlich unfair." Ein völlige Rodung der Bäume ist nicht geplant. In den einen oder anderen Uferabschnitt werde man aber eingreifen müssen, sagte Nöll.

Stefan Fadinger forderte das Wasserwirtschaftsamt auf, den Bolzplatz unbedingt zu erhalten und ihn nötigenfalls zu verlegen. Darüber müsse die Behörde mit den Grundbesitzern verhandeln, sagte der Bürgermeister von Gaißach. Neben drei Privateigentümern gehört dazu auch die Stadt Bad Tölz. Außerdem müsse die Fläche weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen sein, so Fadinger. Für Kinder, die kicken wollen, sei der Weg zu den beiden Fußballtoren über den neuen Deich ohne Weiteres möglich, sagt Nöll. Auch eine kleine Rampe für Traktoren wäre kein Problem. Allerdings müsse man erst in Gesprächen mit Anliegern und Betroffenen herausfinden, welche Stelle im Erdwall dafür am sinnvollsten sei.

Mit den Grundeignern hat das Amt bislang noch nicht verhandelt. "Wir konnten jetzt nicht hausieren gehen, wir müssen erst eine Vorstellung von den Planungen haben, dann verhandelt man", sagte Abteilungsleiterin Schulze. Um den Hochwasserschutz umzusetzen, müssen die Besitzer bereit sein, dem Freistaat eine Grunddienstbarkeit einzuräumen. Schulze versprach: "Auf den Grundstücken wird niemandem etwas hingestellt, ohne dass die Person hundertprozentig damit einverstanden ist."

Die Sorgen einiger Anlieger, dass sie für denn Ausbau oder später auch für den Unterhalt zur Kasse gebeten werden, sind der Abteilungschefin zufolge unbegründet. Der Unterhalt obliege dem Freistaat, die Kosten für die Baumaßnahmen teile sich die Regierung mit den Kommunen Bad Tölz und Gaißach. Wie viel das Ganze kostet, vermochte Schulze noch nicht zu sagen. Die Planungen befinden sich erst im Stadium des Vorentwurfs. Die Sachschäden in der Siedlung, die eine Überschwemmung durch die benachbarte Große Gaißach nach sich ziehen kann, könnten erheblich sein. Nöll zufolge betragen sie bei einem 30-jährlichen Hochwasser mehr als sieben Millionen Euro, bei einem hundertjährlichen mindestens elf Millionen.

Ursprünglich hatte das Wasserwirtschaftsamt daran gedacht, zuerst einen Damm am Ostufer der Isar zu bauen, um so das Gewerbegebiet an der Lenggrieser Straße in Tölz zu schützen. Das wurde zurückgestellt. Ohne den Deich an das Großen Gaißach, sagt Schulze, "würde sich das Wasser dort stauen".

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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