Hochwasser:Ab in die Isar statt mitten in den Ortskern

Der Lenggrieser Dorfbach könnte die Wassermengen eines hundertjährlichen Hochwassers nicht aufnehmen. Für viel Geld sollen deshalb die Zuflüsse umgeleitet werden.

Von Petra Schneider

So reizvoll es auch sein mag, wenn sich Bäche durch Ortschaften schlängeln - bei Überschwemmungen können sie verheerende Schäden anrichten. Das gilt auch für den Dorfbach in Lenggries, der bei einem hundertjährlichen Hochwasser große Teile des Ortskerns überfluten würde. "Da würden viele nasse Füße bekommen", sagte Bürgermeister Werner Weindl (CSU) bei einer Infoveranstaltung im Alpenfestsaal. Der Dorfbach fließt unter anderem direkt an der Kirche Sankt Jakob und dem Friedhof vorbei.

Immer wieder kommt es in Lenggries zu Überschwemmungen, zuletzt 2005 im Bereich Hals- und Reiterbach. Seit mehr als 50 Jahren gibt es Planungen für einen Hochwasserschutz der 10 000-Einwohner-Gemeinde. Kürzlich stellte Markus Brandtner vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim (WWA) den aktuellen Entwurf vor.

Weil der Dorfbach von mehreren Quellbächen gespeist wird, kann sich seine Wassermenge zu großen Spitzen summieren. Überschüssiges Wasser aus Reiter-, Hals- und Weiherbach soll deshalb dort gar nicht erst ankommen, sondern in unterirdischen Rohren in die Isar abgeleitet werden. Rund 70 Interessierte waren zur Infoveranstaltung gekommen, die viele Fragen stellten und auch Kritik an den Planungen übten: Von "monumentalen Bauwerken" war die Rede, die "überdimensioniert" seien.

Hoch sind auf jeden Fall die Kosten: War noch im Jahr 2012 von 6,3 Millionen Euro die Rede, liegen die geschätzten Kosten nun bei 10,5 Millionen, die sich Wasserwirtschaftsamt, Gemeinde und Freistaat teilen müssen. Dazu kommen die Grunderwerbskosten; die Verhandlungen mit den 64 Eigentümern seien ebenso offen wie die Finanzierung, sagte Brandtner vom Wasserwirtschaftsamt. Bürgermeister Weindl zeigte sich erschrocken ob der "riesigen Summe". Denn die Gemeinde müsste 30 bis 50 Prozent übernehmen. "Ich weiß nicht, wie wir das finanzieren sollen", sagte er. Zurücklehnen könne man sich beim Hochwasserschutz freilich nicht. "Denn wenn was ist, steht auch die Gemeinde in der Haftung." Weindl forderte die Planer auf, Einsparpotenziale zu prüfen.

Wie Berechnungen des WWA ergeben haben, hielte der Dorfbach höchstens einem zwanzigjährlichen Hochwasser stand: Maximal fünf Kubikmeter Wasser pro Sekunde kann er aufnehmen, bei einem hundertjährlichen Hochwasser würde sich diese Menge mehr als verdoppeln. Kommunen müssen aber für diesen Fall vorsorgen, so sieht es das Landesentwicklungsprogramm vor.

Der Lenggrieser Gemeinderat hat sich bereits vor fünf Jahren für eine Variante des WWA und einer Planungsgemeinschaft entschieden, bei der große Dämme nicht nötig und Eingriffe in das Landschaftsbild vertretbar seien, wie Weindl sagte. Zwar ist im oberen Bereich des Reiterbachs ein bis zu 1,5 Meter hoher Deich vorgesehen, wie Planer Heiko Nöll erklärte. Es handle sich aber um eine "Geländemodellierung", die wie eine Wiese aussehe. Sie solle Wasser nicht abhalten, sondern zu den Einlaufbauwerken lenken. Diese gingen nicht in die Höhe, sondern stellten "Einlaufmulden" für die unterirdisch verlegten Rohre dar. Einige Bauwerke sind geplant: Etwa Geschieberückhaltesperren, Drossel- und Auslassbauwerke. Eine unterirdische Rohrleitung soll vom Reiter- zum Weiherbach führen und eine Verzweigung zum Halsbach bekommen. In einer weiteren Leitung unter Lerchkogel,- Waldfriedhofstraße und B 13 wird das Wasser in die Isar abgeführt. Verrohrungen stellten den geringsten Eingriff in die Flächen dar, sagte Brandtner. Allerdings mit dem "höchsten wirtschaftlichen Aufwand", auch wegen nötiger Unterhaltsmaßnahmen.

Abgeschlossen sind die Entwurfsplanungen voraussichtlich Ende des Jahres, Baubeginn frühestens in drei Jahren. Von vielen Bürgern wurden die hohen Kosten bemängelt und die Verhältnismäßigkeiten mancher Maßnahmen in Frage gestellt. Auch der Hohenburger Weiher wurde angesprochen: Bei einem Dammbruch hätte das nach Ansicht eines Bürgers schlimmere Konsequenzen, als bei den "kleinen Bacherln". Der Hohenburger Weiher sei berücksichtigt, versicherte Brandtner. "Wir gehen davon aus, dass der Damm hält." Einige Grundstückseigentümer klagten, dass "Planungen über unsere Köpfe hinweg" gemacht worden seien. Die Verrohrungen sollten doch möglichst unter Straßen oder auf Gemeindegrund erfolgen. Dem Vorschlag, Hals- und Weiherbach abzuleiten, sodass nur mehr der Reiterbach in den Dorfbach fließen würde, erteilte Brandtner eine Absage: Damit Tiere und Pflanzen darin überleben können, muss in den Quellbächen stets Restwasser bleiben.

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