Hindernisse und Rückschläge:Emotionale Asyl-Debatte

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Kerstin Schreyer, Integrationsbeauftragte der Staatsregierung.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die bayerische Integrationsbeauftragte trifft in Schäftlarn auf Flüchtlingshelfer

Von Wolfgang Schäl, Schäftlarn

Das Thema Flüchtlinge bleibt emotional hoch belastet. Hatte es vor einem Jahr bei einer Informationsveranstaltung der Gemeinde Schäftlarn mit 300 Besuchern noch Vorbehalte gegen die Unterbringung von Asylbewerbern gegeben, so waren es in dieser Woche bei einem Abend mit der Landtagsabgeordneten Kerstin Schreyer, der neuen Integrationsbeauftragten der bayerischen Regierung, ausschließlich Asylhelfer, die ihrem Herzen Luft machten. Etwa 30 bis 40 Gäste waren der Einladung der örtlichen CSU gefolgt, darunter Vertreter von Helferkreisen Wolfratshausen und Icking. Sie berichteten aufgebracht von Enttäuschungen, Hindernissen und Rückschlägen, die der Umgang mit den Behörden mit sich bringe.

Dass sie selbst mit ihrer neuen Aufgabe zwischen den Stühlen sitzt, deutete Schreyer ihrer Vorrede an: "Gehauen wird man immer", so ihre Erfahrung der ersten sechs Wochen. "Die Frage ist letztlich nur, von welcher Seite." Sich selbst beschrieb sie als "sperrigen und kantigen" Menschen, der bereit sei, anderen auch mal auf die Füße zu treten. Etwa wenn es gelte, Werte zu verteidigen. Es sei nicht damit getan, neutral aufeinander zuzugehen: "Rechtsstaat, Grundgesetz und Gleichberechtigung sind für mich nicht verhandelbar, da bewege ich mich keinen Millimeter". Zu den unabdingbaren Anforderungen an Asylbewerber zählte die Politikerin auch die Sprachkompetenz. "Bei uns muss jeder Deutsch lernen, denn nur so ist Integration möglich". Ebenso stellt sie sich hinter die Strategie der Regierung, Asylbewerber zu fördern, aber auch zu fordern. Auch zur Obergrenze beim Zuzug bekennt sich Schreyer ausdrücklich: "Es geht nur so." Unabhängig davon appellierte die gelernte Sozialpädagogin an alle Helfer, "mit dem Herzen bei der Sache zu sein." Und: Natürlich müsse man alle Menschen aufnehmen, die in ihren Herkunftsländern verfolgt werden.

Des Appells an die Herzen hätte es nicht bedurft, denn emotional engagiert zeigten sich alle, die sich im Klosterstüberl zu Wort meldeten. Beispielsweise Esther Dobler-Reisner aus Wolfratshausen. Sie betreut eine nigerianische Familie, die in ihrem Heimatland von der islamischen Terrormiliz Boko Haram bedroht wird und unmittelbar vor der Ausweisung steht. Die Entscheidung stehe am Freitag an, die Aussichten seien schlecht - "die haben keine Chance hierzubleiben, obwohl der Mann Arbeit gefunden hat und total engagiert ist", beklagte Dobler-Reisner. Schreyer versprach, sich um den Fall zu kümmern, verwies aber darauf, dass dem Auswärtigen Amt zufolge nur elf Prozent der Nigerianer als Verfolgte der Boko Haram zu betrachten seien, und dies dürfe man im Rechtsstaat nicht einfach ignorieren. Der Nigerianer müsse "als Einzelperson darlegen können, dass ihm und seiner Familie Verfolgung droht". Dass er eine Beschäftigung gefunden hat, habe damit erst einmal nichts zu tun. Schreyer verwies auf eine Regelung der Bundesregierung, der zufolge Asylbewerber, die eine duale Ausbildung absolvieren, während der dreijährigen Lehre eine Duldung und für eine anschließende Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht von zwei Jahren erhalten können. Hilfreich sei auch die Blue Card der EU, die es qualifizierten Arbeitskräften aus Drittländern ermöglicht, in Deutschland zu arbeiten.

"Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert nicht", kritisierte der Ickinger Asylhelfer Reinhard Kurz. Er sprach den dramatischen Fluchtweg einer syrischen Familie an, die aufgrund eines Behörden-Missverständnisses wieder ausgewiesen worden sei. "Ich könnte nur heulen", sagte Kurz, der auch eine allgemein wachsende Abneigung gegen Asylbewerber konstatierte. Schreyer versprach, auch diesen Fall zu prüfen und verwies darauf, dass Psychosen und Traumata bei Flüchtlingen klare Abschiebehindernisse seien. Ein weiterer Asylhelfer aus Icking bemängelte, die Tölzer Kreisbehörde erteile Asylbewerbern, die gegen ihre Abschiebung klagten, keine Arbeitserlaubnis. Ein Teilnehmer erkannte einen generellen Fehler bei der Hilfe für Flüchtlingen im Ausland: Es werde zu viel mit korrupten Regierungen zusammengearbeitet. Besser wäre es, sich an die internationalen Hilfsorganisationen zu halten.

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