Heilinglechner zwei Jahre im Amt:Der Bürgermeister, der kein Politiker sein will

Der Wolfratshauser Rathauschef Klaus Heilinglechner kennt sich als Landwirt mit Kühen und Äckern aus - taktisches Kalkül ist ihm nach wie vor fremd.

Von Konstantin Kaip

Es ist etwas anderes, Bauer zu sein als Bürgermeister. Das weiß wohl niemand so gut wie Klaus Heilinglechner. Bevor er 2014 zum Rathauschef in Wolfratshausen gewählt wurde, war der 49-Jährige schließlich Biolandwirt auf seinem Hof in Weidach. "Ein unheimlich toller Beruf", sagt der ehemalige Milchbauer und schwärmt vom Handwerk, vom Umgang mit den Tieren und dem Boden. "Man sieht sehr schnell, ob es ein Erfolg oder Misserfolg war, was man gemacht hat." Dass das als Bürgermeister in Wolfratshausen oft nicht so ist, habe ihn anfangs frustriert, erzählt Heilinglechner. "Ich habe schnell lernen müssen, dass ich eigentlich kein Politiker bin", sagt er. "Mir fehlt das taktische Kalkül."

Deutlich wurde das, als der Bürgerladen im vergangenen Jahr gescheitert ist. Wie alle Bürgermeisterkandidaten war auch Heilinglechner für seine Bürgervereinigung Wolfratshausen (BVW) zur Kommunalwahl 2014 mit dem Versprechen angetreten, den Bürgerladen in der Altstadt zu realisieren. Er machte sich früh für den Standort am Untermarkt 10 stark. "Ich war so davon überzeugt, dass so etwas im Stadtkern läuft und dass es Frequenz für die Stadtmitte bringt", sagt er heute. "Vielleicht habe ich mich da zu sehr reingehängt." Der Bürgermeister verschwieg eine Information: Er informierte den Bauausschuss nicht rechtzeitig über eine Kostensteigerung. Ans Licht brachte das Heilinglechner selbst, indem er es bei einer Podiumsdiskussion freimütig einräumte. Daraufhin kam es zum Eklat, 16 Stadträte von CSU, SPD und BVW lehnten den Standort ab. Beim Bürgerentscheid im Dezember scheiterte das Projekt knapp an den nötigen Stimmen. "Das war für mich ein großer Dämpfer", sagt Heilinglechner. "Ich habe Zeit gebraucht, bis ich das überwunden habe." Auch wenn der Rathauschef den Fehler eingestanden hat: Das Debakel hat sich auf die Stimmung im Stadtrat ausgewirkt. Zuletzt wurde das beim Beschluss zum Haushalt deutlich, als CSU, SPD und Grüne dem Bürgermeister vorwarfen, er habe ihnen nicht genug Beratungsmöglichkeiten eingeräumt um dann eine Liste mit vielen Einsparungen durchzusetzen.

Als Heilinglechner 2008 überraschend in den Stadtrat gewählt wurde, war er eigentlich auf dem Bauernhof ausgelastet, den er in dritter Generation führte. Er habe sich der Bürgervereinigung angeschlossen, um etwas gegen den Stillstand zu tun, erklärt er. "Es hat mich einfach furchtbar genervt, dass in der Stadt nichts weitergegangen ist, weil sich zwei Gruppierungen nur gegenseitig blockiert haben", sagt er in Hinblick auf CSU und SPD. Die sechs Jahre als Stadtrat seien "eigentlich eine sehr gute Zeit" gewesen, erinnert er sich. Bürgermeister Helmut Forster habe das Gremium "schon sehr gut geführt", sagt Heilinglechner über seinen Vorgänger. "Er hat sich seine Mehrheiten immer wieder organisiert. Und vor allem war Ruhe im Stadtrat. Man hat sich ausgetauscht und wieder miteinander geredet." Als Bürgermeister ist Heilinglechner angetreten, dieses Klima fortzuführen. Doch es ist wieder stürmischer geworden im Wolfratshauser Stadtrat. Wechselnde Mehrheiten machen dem Rathauschef das Leben schwer. Und Gegenwind kam nicht selten aus den eigenen Reihen, auch von seinem Vorgänger, dem heutigen Wirtschaftsreferenten Forster. Als Bürgermeister stellt sich Heilinglechner stets hinter seine Verwaltung, was ihn wiederum in die Schusslinie der Stadträte Hans Schmidt (Grüne) und Alfred Fraas (CSU) bringt, die den Amtsleitern mangelnde Transparenz vorwerfen.

Was aus seinen Wahlkampfthemen wurde

Der Bürgerladen, bei allen Fraktionen Thema im Wahlkampf, war Heilinglechners großes Projekt im vergangenen Jahr. Im Dezember ist es gescheitert. Stattdessen soll nun am Untermarkt 10 eine Außenstelle des Rathauses realisiert werden, inklusive Büro des Stadtmanagers. Den hätte Heilinglechner lieber aus der Verwaltung berufen, die Mehrheit des Stadtrats aber wollte die Stelle extern besetzen. "Wenn wir gut sind", sagt Heilinglechner, "schaffen wir das bis Ende des Jahres". Ein anderes Thema im Wahlkampf der BVW waren die Parkplatzmisere und ein Parkhaus, um die Situation zu entschärfen. Als Standorte waren der Hatzplatz oder der AWO-Parkplatz am Paradiesweg im Gespräch. Eine Machbarkeitsstudie des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum steht dazu noch aus. Heilinglechner sieht das Projekt in einem engen Zusammenhang mit dem seit Jahren leer stehenden Isarkaufhaus, für das es schon "ernsthafte Interessenten" gebe. Je nach Planung müssten auch zusätzliche Parkplätze geschaffen werden. Eine Entscheidung, was aus dem Kaufhaus wird, werde es "auf jeden Fall heuer" geben. Heilinglechners nächstes großes Projekt ist eine Umgehungsstraße, die seiner Meinung nach zur Zukunft Wolfratshausens gehört. Eine Entlastung vom Schwerlastverkehr dürfe kein Wahlkampfthema bleiben, sagt er. Deshalb will er noch in diesem Jahr eine offene Diskussion im Stadtrat anstoßen und das alte Thema neu beleben - zusammen mit dem Geretsrieder Bürgermeister Müller, der Bereitschaft zur Kooperation signalisiert habe. Schließlich führe ein Großteil des derzeitigen Verkehrs auf der Schießstättstraße in die Nachbarstadt. "Geretsried und Wolfratshausen werden zusammenwachsen", ist sich Heilinglechner sicher. Man müsse "jetzt die Weichen stellen, dass wir uns da nichts verbauen". Vor 40 Jahren habe Wolfratshausen eine Umgehungsstraße abgelehnt. "Ich will mir in 40 Jahren nicht nachsagen lassen müssen, ich hätte nichts versucht." aip

Es ist keine leichte Zeit für den Wolfratshauser Bürgermeister. Konnte sein Vorgänger noch die Eröffnung der Loisachhalle, den Neubau der Waldramer Mittelschule und die Konsolidierung des Haushalts in seiner Amtszeit verbuchen, muss Heilinglechner mit der Schließung von Möbel Mahler, sinkenden Gewerbesteuereinnahmen und der fortschreitenden Ausdünnung des Einzelhandels in der Altstadt umgehen. Die Pläne für dezentrale Flüchtlingsunterkünfte, die er zusammen mit dem Stadtrat auf den Weg brachte, hat gerade die Staatsregierung obsolet gemacht, von der er die Planungskosten zurückfordert. Für seine Idee, im Möbelhaus einen Media Markt unterzubringen, bekam er Beifall von SPD und Grünen, erntete jedoch Kritik der CSU.

Die schwierige Haushaltslage - die Rücklagen könnten 2017 aufgebraucht sein - wirkt wie ein Katalysator für die Bedenken, die in der kleinsten Stadt im Landkreis traditionell eine große Rolle spielen. Im Stadtrat ist wieder eine gewisse Blockadehaltung spürbar. So wurde etwa das Plangutachten zur Fusion der Mittelschulen nach monatelanger Vorarbeit einer Arbeitsgruppe kurzerhand vertagt. "Wenn es eine Idee oder ein Konzept gibt, wird erst mal das Negative daran gesucht: Wo könnte der Haken an der Sache sein?", sagt Heilinglechner. Ein "kleinpolitisches Gezänk" schade nur der Kommune. "Ich bin mir sicher, dass wir in Wolfratshausen schon wesentlich weiter wären, wenn es nicht diese Machtspiele geben würde." Heilinglechner trägt neuerdings einen Bart. Vielleicht hat er ihn stehen lassen, um sich morgens im Spiegel an seinen Vorsatz zu erinnern: "emotionsloser an das Ganze ranzugehen". Er sei zwar ein Mensch, der gerne viel Gefühl zeige, sagt Heilinglechner. Aber es gebe eben auch solche, die auf Fehler lauern. "Vorsichtiger wird man auf alle Fälle." Das konnte man kürzlich im Stadtrat beobachten: Als der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller und Landrat Josef Niedermaier die Wolfratshauser Politiker über das interkommunale Hallenbad informierten, hielt sich Heilinglechner zurück und überließ die klaren Worte anderen. Überzeugungsarbeit kann in Wolfratshauser Stadtrat sehr anstrengend sein.

Als Ausgleich hat Heilinglechner seinen Hof, wo er noch Mastvieh hält. "Das brauch' ich, das erdet mich", sagt er. Im Winter sei er immer im Stall, bevor er ins Rathaus gehe. Derzeit seien die Tiere auf der Weide. "Dann setze ich mich in den Schlepper, um Feldarbeit zu machen und an nichts Politisches zu denken."

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