Harry G:Geh weida!

Harry G: Um Harry G zu sehen, sind 2000 Leute von München bis Rosenheim nach Benediktbeuern gekommen.

Um Harry G zu sehen, sind 2000 Leute von München bis Rosenheim nach Benediktbeuern gekommen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Harry G mokiert sich in Benediktbeuern über Isarpreißn - die von München aus in rosa Bermudas die ganze Region erobern.

Von Christa Gebhardt, Benediktbeuern

Auftritt Harry G zum Bayerischen Defiliermarsch, Symbol des Freistaats, populär seit dem Krieg gegen Preußen 1866: Genau darum geht's. Zum Angriff auf die "Isarpreißn" bläst er auf der Freilichtbühne im Maierhof des Klosters Benediktbeuern. Und die rund 2000 Besucher aus der näheren Umgebung von München bis Rosenheim wissen, was jetzt kommt, denn die Staffage an Figuren, die Harry G alias Markus Stoll gerne an die Wand nagelt, sind bekannt. Sie bevölkerten über Monate zunächst etwa 30 kurze Youtube-Clips mit rund drei Millionen Klicks und Zehntausenden Facebook-Likes, bevor der jeanstragende Grantler mit Hipsterhut ein abendfüllendes Programm auf die Beine stellte, das nach Auftritten im Münchner Schlachthof und dem Oktoberfest überall auf seiner Tour in gefühlt 20 Minuten ausverkauft ist.

Was Markus Stoll auf der Bühne erzählt, ist krachert, regelmäßig unter der Gürtellinie und massentauglich. Was ihm wie dem Publikum gleichermaßen wurscht ist. Denn was Christian aus Benediktbeuern oder André und Sascha von der Harley-Motorradgang vom Tegernsee und aus Baldham finden, das sagen viele seiner Fans so oder so ähnlich: "Wer derben bairischen Humor mag, für den ist das supergeil. Der Harry bringt es auf den Punkt, wie das Leben ist. Denn so ist es jeden Tag in München und überall in Bayern."

Das sagt Harry G auch selbst über sein Programm, er sehe einfach aus dem Fenster im Münchner Glockenbachviertel und nehme einfach das, was da ist: Nämlich vom Champagner verblödete Schickeria-Münchner, vegane Yogaschlampen und Ruhrpotttouris in neongrellen Tülldirndls und Billiglederhosen made in China sowie das übrige Gschwerl, das mit seinen Riesen-SUVs die Verkehrswege verstopft, den Wohnungsmarkt überquellen lässt (37 Quadratmeter für 1380 Euro kalt!) und das schöne Bayernland mit seinen Seen und Bergen verunreinigt.

Abgrenzen kann man den "Isarpreißn" vom "Zuagroasten" sehr einfach. Das Publikum weiß das schon, aber Harry G erklärt es gern nochmal: Der Zuagroaste ist ein normaler "Preiß", ungefährlich und wie ein Joghurtfleck mit handelsüblichen Reinigungsmitteln leicht vom Hemd zu entfernen. Der Isarpreiß aber gleicht dem hartnäckigen Rotweinfleck, der sich neifrisst ins Hemd und nie wieder rausgeht. Man erkennt ihn leicht an seiner Verkleidung. Verspiegelte Sonnenbrillen, rosa Bermudas, nach hinten gegelte Haare sind ebenso brandverdächtig wie Landhausmode, der "Voldemort" unter den Trachtengewändern. Wenn Markus Stoll mit sparsamen Gesten in seine Kunstfiguren Immobilien-Hai Günther, Fluchtwagen-Alkoholiker Alfons mit der rauchig versoffenen Stimme und Wetgel-Banker Arno aus Hannover schlüpft, steigt die Stimmung. Denn besonders der Urbayer Alfons darf dem Arno, Inbegriff des lästigen und komplett überflüssigen Isarpreißn, verbal deftig wie auch physisch übergriffig zeigen, wo der Hammer hängt. Das funktioniert. Wenn's sexuell wird, haut man sich schon mal feixend auf die Schenkel oder kreischt entsetzt, manch einer schweigt auch mal peinlich berührt, wenn zu weit unter der Gürtellinie operiert wird oder die Grenzen des Geschmacks erreicht sind.

Zum Beispiel die beiden jungen Männer aus Dachau: Denen erklärt der Harry, dass die Dachauer eine "seltsame Beziehung zur Vergangenheit" haben, weil in ihrem Ort Energieversorgerbusse aufgetaucht sind mit der Aufschrift "Dachau gibt Gas". Da und an anderen Stellen sagt der Harry dann "Entschuldigung!" Die wichtigste Botschaft von Harry G aber bleibt: Die Krakenarme des Isarpreißn dehnen sich immer weiter aus. Rund um den Starnberger und den Tegernsee ist schon alles versaut. Und die Münchner Isarpreißn mit ihren 75 600 Hunden, vorzugsweise Rhodesian Ridgebacks mit Namen Celina oder Finn, werden auch vor Benediktbeuern nicht Halt machen. Bevor seine Gebrauchsanweisung, wie man am besten Katzen überfährt, ins Absurde kippt, spricht der Pointenjäger angesichts der drohenden Gewitterwand sein Schlusswort: Der Isarpreiß ist ausgeweidet, es wird wohl bald ein neues Programm geben. Aber an diesem Abend erntet Harry G nochmals, was er immer erntet. Begeisterung, Klatschkonzert, Johlen, Pfeifen.

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