Gut organisiert:Papst Gabriel besucht Mini-Tölz

Die Montessori-Schule inszeniert eine Stadt mit Bank, Flughafen, Geschäften und eigener Währung. "Die Schüler sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen", sagt Schulleiterin Christina Rothleiter

Von Andreas Scheuerer, Bad Tölz

Die Passagiere sitzen, der Abflug nach Rom steht kurz bevor. Letzte Anweisungen der Stewardessen erklingen, erst auf Englisch, dann auf Deutsch, und natürlich in dem obligatorischen Genuschel. Urlaub liegt in der Luft, und doch befinden sich die Reisenden nicht in einem Flugzeug, sondern in der Montessori-Schule in Bad Tölz. Das Flugzeug ist eine Treppe, auf der die Fluggäste sitzen. Und das Bordpersonal, inklusive des Piloten Gabriel Heinz, besteht aus Schülern. Im Rahmen von Mini-Tölz gründeten diese ein Reiseverkehrsunternehmen.

Mini-Tölz, das ist ein Konzept, das die pädagogische Leiterin der Montessori-Schule, Annette Weber, in Anlehnung an Mini-München entwickelt hat. Die Idee: Schüler können eigenen Firmen gründen und ihr Schulgebäude für eine Woche in eine kleinen Stadt verwandeln. Dass die Schule dabei zu einer eigenen Welt wird, bemerkt der Besucher bereits am Eingang: Es empfangen der "Staat", alias die stellvertretende Schulleiterin Christina Rothleiter, und ihre rechte Hand, der 13-jährige Schüler Constantin Frank. Er trägt einen Anzug, der ihm etwas zu groß ist, mit einem vornehmen roten Einstecktuch. Constantin führt Besucher herum, erläutert die Firmen, die mit Ständen in der Aula und den Klassenzimmern auf Kunden warten, und wirkt sehr professionell.

Gut organisiert: Selbstgenähte Eierwärmer, Hühner und anderes bietet die Firma "Frühlingsnähkästchen" zum Kauf an.

Selbstgenähte Eierwärmer, Hühner und anderes bietet die Firma "Frühlingsnähkästchen" zum Kauf an.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Zu Beginn verweist Constantin auf die Hausbank von Mini-Tölz, die "Gringotts Bank". Besucher müssen ihr Geld in "Leon-Taler" umtauschen, denn für Euro bekommt man hier nichts. Die Hauswährung ist nach dem Chef der Bank, dem Oberstufen-Schüler Leon, benannt. Für einen Euro bekommt der Besucher zwei Leon-Taler mit denen er sich dann zum Beispiel in den Schönheitssalon begeben kann, wo die neunjährige Marie gerade eine Handmassage erteilt. Die Kundin, Silvia Hoppe, liegt auf einem Liegesessel mit angewärmter Bio-Schokoladenmaske im Gesicht. Sie hat das Kombi-Paket für acht Leon-Taler gewählt. "Als wäre man im Urlaub", sagt sie und lauscht den Entspannungliedern aus dem CD-Player, der in der Ecke steht.

In der Schulaula am Delikatessenstand verkaufen die Schüler Selbstgemachtes: Kürbis-Erbsen-Frischkäse oder Grünkohl mit Kokos und Orange befinden sich unter den Gerichten. Die Schüler haben sie zusammen mit Firmenchefin Weber zubereitet. Die Speisen passen zur Ernährungsphilosophie der Montessori-Schule: "Wir leben vegetarisch", erklärt Rothleiter. Die Delikatessen geben zudem ein wenig Urlaubsflair, ist doch unter den Verkäufern der 15-jährige Samuel, Austauschschüler aus Teneriffa. Er ist jedes Jahr für sechs Wochen in Deutschland, Mini-Tölz sei dabei etwas ganz Besonderes, sagt er.

Gut organisiert: Eine Salbung von Papst Gabriel ist im Flug nach Rom für die Urlauber inklusive.

Eine Salbung von Papst Gabriel ist im Flug nach Rom für die Urlauber inklusive.

(Foto: privat)

Dann gibt es noch eine Bügelfirma, eine Schuhputzfirma, die bereits mehr als hundert Paar Schuhe an diesem Tag gewienert hat, und das Café "Neues Leben", aus dessen Umsatz ein Teil an Flüchtlinge geht.

In der Vorbereitungsphase zu Mini-Tölz mussten die Kreativen ihre Projekte der Schulleitung präsentieren, Mitarbeiter einstellen und Kredite aufnehmen. Auch Steuern werden hier erhoben - alles eben wie im realen Leben. "Die Schüler sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen, man sieht ja, was dabei herauskommt", resümiert Rothleiter stolz das Mini-Tölz-Projekt, das bereits zum zweiten Mal stattfindet.

Und die Reisenden? Die sind mittlerweile in Rom gelandet. Impressionen aus der Ewigen Stadt werden mit dem Beamer an die Wand geworfen. Am Ende dieser Präsentation steht der Petersdom und es taucht der Papst auf, in den sich Pilot Heinz verwandelt hat. Er segnet die Urlauber zum Abschluss der Reise. Aus dem Lautsprecher tönt es: "Gäste, bereit machen für den Flug nach Mumbai." Was die Reisenden wohl dort erwartet?

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