Grüner Ratschlag:"Das Aufräumen wird übertrieben"

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Vogelschutz-Expertin Sabine Tappertzhofen erklärt, warum Unordnung im Garten gut für viele Arten von Tieren ist. Sie spricht von struktureller Vielfalt

interview Von Ingrid Hügenell, Bad Tölz-Wolfratshausen

Gärten sind wichtige Lebensräume für viele Tiere. Die Biologin Sabine Tappertzhofen von der Geschäftsstelle des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) in Wolfratshausen erklärt, wie jeder Gartenbesitzer eine Heimat auch für Insekten, Igel und Fledermäuse schaffen kann. Dabei kommt es vor allem auf Vielfalt an.

SZ: Sie mögen aufgeräumte Gärten nicht besonders. Warum?

Sabine Tappertzhofen: Weil das Aufräumen oft übertrieben wird und dann zu einer Verringerung der Artenvielfalt führt. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel beobachtet, wie eine magere artenreiche Grasfläche im Vorgarten von beauftragten Gärtnern "weggeräumt" wurde. Sie wurde durch Rollrasen ersetzt, der sicher nicht pflegeleichter ist. Er sieht aus wie Plastik und die Artenzahl wurde von 20 bis 50 auf eine reduziert. Ich war entsetzt.

Worauf kommt es besonders an, wenn man Lebensräume schaffen möchte?

Auf strukturelle Vielfalt. Das heißt: nicht nur Blumenwiese, sondern je nach Gartengröße: Laubbäume, Nadelbäume, Sträucher, Stauden und einjährige Pflanzen. Und besonders wichtig: einheimische Arten und solche mit ungefüllten, also nektarreichen Blüten verwenden.

Profitieren davon nur Vögel oder auch andere Tiere?

Davon profitieren auch andere Arten. Vögel können nur in einem vielfältigen Garten leben, also in einem Garten, in dem auch andere Tiere vorkommen. Nehmen Sie den Igel: Wenn alles, was man im Garten abschneidet, sofort zum Wertstoffhof wandert, fehlt im Garten der Reisighaufen, den der Igel als Unterschlupf braucht. Brennholzstapel, abgeplatzte Rinde, Hohlräume in Schalung oder Schuppen sind auch gute Aufenthaltsorte für Fledermäuse.

Eine Blumenwiese im Garten ist eine schöne, aber auch Brennholzstapel oder Reisighaufen bieten Tieren Unterschlupf. (Foto: Symbolfoto: dpa)

Welche Tiere brauchen unsere Hilfe im Garten besonders?

Insekten! Insekten sind nicht nur eine faszinierende Tiergruppe. Sie sind Nahrungsgrundlage zum Beispiel für Igel, Fledermäuse und Vögel - fast alle Arten brauchen sie für die Aufzucht der Jungen. Ohne Insekten keine Vögel und keine Fledermäuse. Leider sieht man sie im Garten oft nur als Schädlinge, was auf die allerwenigsten zutrifft - eine sehr verzerrte Sichtweise!

Handelt man sich nicht ein Schneckenproblem ein, wenn man nicht alles wegräumt?

Viele Schnecken leben von (noch) schwachen und von absterbenden Pflanzen. Aber gerade die schädliche Spanische Wegschnecke frisst gerne saftige Pflanzen, also zum Beispiel die frisch gesetzten Salatpflanzen. Die beseitigt man nicht durch Aufräumen. Wenn es trocken wird, verkriecht sie sich auch unter gepflegte Trittsteine. Sie findet also auch in aufgeräumten Gärten genügend Nischen. Wenn Sie Ihren Garten soweit aufräumen wollten, dass er schneckenfrei würde, müsste er groß sein, stark besonnt und extrem aufgeräumt - da möchte ich mich im Sommer nicht hinsetzen. Ich hätte aber auch keine Zeit für eine solche Aufräumarbeit. Geschickter ist es, geeignete Arten und Sorten zu pflanzen, die weniger anfällig sind für Schneckenfraß.

An wen kann man sich wenden, wenn man weitere Fragen zur Gartengestaltung hat?

Sie können beim LBV anrufen (Telefon 08171/273 03) oder besser ein E-Mail schreiben ( gs@lbv-toel.de) oder uns bei den Tölzer Rosentagen am Stand oder in der Ausstellung zum naturnahen Garten ansprechen. Im LBV-Shop gibt es Bücher zum Thema schon ab vier Euro.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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