Großweil:Hopfen, Malz und Zeit zum Schnuppern

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Im Freilichtmuseum Gleintleiten wird neuerdings nicht nur Bier gebraut. Brauerin und Sommelière Victoria Schubert-Rapp gibt auch Seminare über das liebste Getränk der Bayern. Bei ihrer Premiere zeigt sie, warum sie die richtige dafür ist

Von Sabine Näher, Großweil

"Nun sagen Sie mal ehrlich: Wie viel Bier kann man bedenkenlos trinken?" - "Mei, des fragen's a Brauerin...", stöhnt Victoria Schubert-Rapp. Die Juniorchefin der Murnauer Brauerei Karg weiß nicht, wie sie auf diese Frage antworten soll, die ihr beim Bier-Seminar im Freilichtmuseum Glentleiten am Samstagvormittag gestellt wird. Aber die gertenschlanke Bier-Sommelière, die sogar Kaiserin Sissi um ihre Wespentaille beneidet hätte, zieht sich äußerst elegant aus der Affäre: Es komme eben auf den allgemeinen Lebenswandel an, sagt sie. Wer sich gesund ernähre und vor allem viel bewege, der könne auch das eine oder andere Bier vertragen. "Mei Papa trinkt jeden Tag a Bier. Und der is schlank und hat die besten Leberwerte, weil er auch täglich Sport treibt", fügt sie hinzu.

Ihr Vater Franz Schubert ist der Seniorchef der Brauerei, die dessen Großvater gegründet hat. Victoria Schubert-Rapp liegt das Biertrinken sozusagen im Blut. Und das Bierbrauen auch. Gelernt hat sie ihr Handwerk in England. Und so kam sie mit erweitertem Horizont, solidem Fachwissen und dem nötigen Selbstvertrauen nach Oberbayern zurück, um sich als Frau in dieser Männerdomäne zu behaupten. Das war nicht immer leicht, aber mittlerweile hat sie sich durchgesetzt. Und wer die 35-jährige zweifache Mutter so erlebt mit ihrem bayerischen Charme und ihrem sonnigen Wesen, der ahnt, dass sie die Herren Kollegen notfalls auch mal um den Finger wickelt. Oder unter den Tisch trinkt - auch das traut man ihr ohne weiteres zu.

Kess am Kessel: Victoria Schubert-Rapp ist nicht nur Junior-Chefin der Brauerei Karg, sondern auch eine sympathische Lehrerin in Sachen Bier- und Braukultur. (Foto: Manfred Neubauer)

Im März haben die Gastwirtschaft und die Schaubrauerei im neuen Eingangsgebäude auf der Glentleiten eröffnet. Während Karg am angestammten Ort in Murnau ausschließlich Weißbier braut, kommen hier Helles, Dunkles und verschiedene Spezialbiere in den Braukessel. Für die Seminare, die künftig regelmäßig angeboten werden, könnte man sich keine bessere Bier-Botschafterin als die junge temperamentvolle Frau vorstellen. Obwohl ein älterer Herr nach ihrer fröhlichen Begrüßung etwas skeptisch fragt: "Wir red'n jetz scho übers Bier, oder?"

Das kann Schubert-Rapp nicht aus der Fassung bringen. Gut gelaunt ermahnt sie die Teilnehmer, Frauen und Männer zu gleichen Teilen, vor dem ersten Glas: "Erst mal schnuppern, noch nicht trinken!" Die so gewonnenen Eindrücke "frisch" und "bitter" lässt die Expertin gelten. Nun darf der erste Schluck genommen werden: "Danach ganz bewusst ausatmen!" Die Mehrheit rät richtig, was gerade verkostet wurde: ein Pils. Das kommt aus Rosenheim, hat fünf Prozent Alkohol und eignet sich laut Sommelière perfekt als Aperitif, weil es "etwas bitter schmeckt, wie ein Campari Orange, und uns in Stimmung bringt".

Erst schnuppern, dann schlürfen: Beim Bier-Seminar auf der Glentleiten werden verschiedene Sorten verkostet, auch das als Apertif geeignete Pils. (Foto: Manfred Neubauer)

Ungeachtet der Tageszeit werden im Folgenden noch etliche Biere probiert. Austrinken muss natürlich niemand, es darf im Eimer entsorgt werden. "Wäre aber schade", meint Schubert-Rapp. Und da stimmen ihr alle zu.

Wie es sich für ein Seminar gehört, wird natürlich auch theoretisches Wissen vermittelt. Erster Rohstoff, den es braucht für ein gutes Bier: gutes Wasser. Da wird das hiesige Leitungswasser genommen, lediglich entkalkt. Das steht in der Karaffe und darf auch probiert werden, ebenso wie die Gersten- und Weizenkörner, die herumgereicht werden. Gesunde Zähne braucht es dazu: Die Körnchen sind knackig hart. "Das Getreide kommt dann in die Mälzerei, wo es zum Keimen gebracht wird. Dann wird es gedörrt", erklärt die Fachfrau. Je länger der Vorgang dauere, desto dunkler werde das Malz, und umso mehr Röstaromen kämen zum Tragen. Für ein Pils nimmt man wenig geröstetes, für ein Dunkles stark geröstetes Malz. Dann werden die Körner grob gemahlen. Auch davon geht eine Kostprobe rum, die köstlichen Duft verströmt.

Das geschrotete Malz kommt darauf in die Sudpfanne, wird mit Wasser vermischt und erhitzt. Dabei bildet sich der Malzzucker. Im Läuterbottich wird der Sud durchgesiebt und mit Wasser aufgefüllt. Nun wird die Masse aufgekocht. "Deshalb ist Bier ein sicheres Lebensmittel und wurde früher dem Wasser, dessen Qualität ungewiss war, vorgezogen", erklärt die Brauerin. "Das Erhitzen kommt aber auch der Geschmacksentfaltung zugute." Nun machen Hopfenpellets die Runde. "Nicht essen, die schmecken grausig!" Aber zerreiben und den Duft schnuppern ist erlaubt. Der ist sehr aromatisch, fruchtig.

Jedes Bier brauche Hopfen für die Haltbarkeit, erfährt man weiter. Die Frage der Dosierung und die Wahl des Hopfens sind entscheidend. Er wird nach dem Aufkochen zugegeben, dann ruht der Sud und wird gekühlt. Danach geht es in den Gärkeller. Und nun tritt die Hefe in Aktion. Sie bestimmt, ob ein unter- oder obergäriges Bier entsteht. Eine Woche dauert der Gärprozess; dann schließt sich eine vierwöchige Lagerzeit an.

Eine Glaubensfrage ist, ob das Bier gefiltert oder ungefiltert angeboten wird. "Beim Filtrieren gehen natürlich auch Geschmacksstoffe verloren, aber das Bier wird länger haltbar", erklärt Schubert-Rapp. "Wer ein Bier mit Ecken und Kanten mag, wird immer zum Unfiltrieren greifen." Ein filtriertes Ettaler Hell und das erste Glentleitner Herzogstand Hell, ein unfiltriertes Biobier, werden im Vergleich verkostet. Die Mehrheit bevorzugt das Zweite, was die Brauerin freut. Auf spontane Fragen wie die nach den aus Amerika stammenden Craft-Bieren, dem Einfluss des Glases auf den Geschmack oder die Frage nach Stahl- oder Holzfass, geht sie gerne ein und gibt verständlich Auskunft. Dann sind verschiedene Weißbiere aus Murnau im Angebot. Wieder erst den Duft aufnehmen: Dass es nach Banane riecht, entzückt Schubert-Rapp. "Dann hat der Brauer alles richtig gemacht." Zum Abschluss gibt es ein Starkbier, den Ulinator des Weilheimer Dachsbräus. "Danach schmeckt Ihnen eh kein anderes Bier mehr", kündigt die Sommelière an. "7,5 Prozent Alkohol. Der ersetzt definitiv eine Mahlzeit." Recht hat sie. Der Ulinator hat ganz schön rein.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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