Großweil:Höchstens "barrierearm"

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Das Freilichtmuseum Glentleiten wird nicht komplett für alle zugänglich werden können. Die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung belohnt die Anstrengungen dennoch mit einem Hinweisschild.

Von Alexandra Vecchiato, Großweil

Es soll ein "Mutmacher" sein, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Irmgard Badura, die Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, hat am Dienstag das Signet "Bayern barrierefrei - wir sind dabei!" an das Freilichtmuseum Glentleiten überreicht. Das Schild soll seinen Platz am "Wagnerhäusl" finden. In dem historischen Gebäude können Menschen mit Sehbehinderung erspüren und mittels Hörstationen erfahren, wie eine Bauernfamilie im 19. Jahrhundert gelebt hat. Als nächstes barrierefreies Projekt steht der Neubau des Eingangsgebäudes auf dem Museumsgelände an. Baubeginn ist am 5. September 2016.

Die traumhafte Kulisse ist zugleich eine Bürde

Eine kleine Korrektur wünscht sich Museumsleiterin Monika Kania-Schütz für das Signet. Auf der Tafel steht "barrierefrei". Das müsse aber "barrierearm" heißen, sagte Kania-Schütz. Denn die historischen Gebäude werden sich ebenso wenig komplett barrierefrei gestalten lassen wie das hügelige Museumsgelände. Die Glentleiten liege nun mal im Voralpengebiet mit seiner traumhaften Kulisse. So schön diese auch sei, sie sei zugleich eine Bürde. Größtenteils führen steile Kieswege von Exponat zu Exponat - eine riesige Herausforderung für Blinde und Rollstuhlfahrer, selbst wenn sie in Begleitung das Freilichtmuseum besuchen. Doch dieses Gelände gehöre eben zum Museum, die Natur sei Teil der Ausstellung, betonte Kania-Schütz. "Daher können und wollen wir nicht alles für jedermann zugänglich gestalten. Aber wir möchten das Museum so barrierefrei wie möglich durch akustische und taktile Elemente gestalten." Was für die Natur gelte, gelte natürlich auch für die historischen Bauten. Denn schließlich seien die Freilichtmuseen die Bewahrer überlieferter Kultur. "Das ist unser Auftrag."

Zwei Jahre hat das Museumsteam am Konzept für und der Präsentation im Wagnerhäusl gearbeitet. Diese Erkenntnisse sollen, so weit möglich, auf andere Objekte übertragen werden. Welches alte Gebäude als nächstes mit Tasttafeln und Hörstationen ausgestattet wird, steht noch nicht fest. Zunächst einmal soll im Herbst der Bau des neuen Eingangsgebäudes folgen. Das Gebäude beherbergt künftig Empfang, Kasse und Museumsladen; dort werden ferner Sonderausstellungen präsentiert sowie eine Schaubrauerei und die Museumsgaststätte untergebracht. Als nächsten Schritt hofft das Museumsteam den Weg vom neuen Eingangsbereich in das Gelände hinein zu gestalten. "Idealerweise bis zum Wagnerhäusl", erklärte Kania-Schütz.

Von rechts: Josef Mederer, Irmgard Badura, Monika Kania-Schütz, Daniela Bittner und Ralph Seifert mit dem Signet. (Foto: Hartmut Pöstges)

An den Wegen arbeiten Studenten aus Weihenstephan

Wie die Wege künftig gestaltet sein werden, also welchen Belag sie haben und ob es die Möglichkeit gibt, sie weniger steil anzulegen, ist nicht geklärt. Das Freilichtmuseum arbeitet bei diesen Fragen mit Studenten der Fachhochschule in Weihenstephan zusammen. "Wir müssen uns Präsentationsformen überlegen, wie die Wege mit Farben und ähnlichem gestaltet werden können, damit sie Behinderte besser leiten." Aber dies bedürfe einer "umfassenden Konzeption".

Schon seit Längerem gibt es mobile Rampen, die Rollstuhlfahrern helfen sollen, die Schwellen an den Eingangstüren der historischen Gebäude zu überwinden, um so zumindest ins Erdgeschoss zu gelangen. Auch da gibt es noch Potenzial zum Nachbessern: Bei den Rampen handelt es sich um zwei einzelne Schienen, die aufgeklappt auf Boden und Stufe gelegt werden. Zu instabil, urteilte Ralph Seifert, Behindertenbeauftragter des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen. Er schlug vor, aus Sicherheitsgründen stabile, dennoch mobile Rampen anfertigen zu lassen.

Irmgard Badura, die nicht ganz blind ist, konnte sich im Wagnerhäusl selbst von dessen Behindertentauglichkeit überzeugen: Vor dem Gebäude steht ein Modell im Maßstab eins zu 150. Ihr habe allein das Tasten dieses Modells und die dazugehörige Beschreibung in Blindenschrift viel gebracht, sagte sie. "Vor allem der Hinweis: Achtung Schwellen." Solche Modelle genieße sie, wenn es sie denn gebe. Beim Besuch der Wieskirche musste deren Modell erst aus der Sakristei geholt werden. Baduras Fazit: Sich als Sehbehinderter gleich beim ersten Besuch zurechtzufinden, sei zu viel verlangt. Aber die verschiedenen Hilfeleistungen wie etwa die Hörstationen machten das Haus erlebbar. Ob Bayern bis 2023 tatsächlich barrierefrei sein werde, lasse sie dahingestellt. "Aber wenn jeder etwas anbietet, wie das Freilichtmuseum Glentleiten, dann schaffen wir was."

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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