Glentleiten:Ein Museum zum Tasten und Hören

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Im "Wagnerhäusl" von 1821 wurde auf der Glentleiten das erste Inklusionsprojekt umgesetzt. Die Ausstellung ist vor allem für Blinde und Sehbehinderte gedacht. Nachbesserungen sind aber noch notwendig.

Von Alexandra Vecchiato, Großweil

Hohe Türschwellen, niedrige Decken, eine enge und steile Treppe - alles große Hürden für Sehbehinderte und Blinde, die das Freilichtmuseum Glentleiten besuchen möchten. Im Januar präsentierte Museumsleiterin Monika Kania-Schütz das erste Inklusionsprojekt, das auf dem Gelände umgesetzt werden sollte: das Wagnerhäusl aus Brandstätt, Landkreis Rosenheim. Nun ist das Haus fertig, das sich gleichermaßen an Sehende, Sehbehinderte und Blinde richtet. Es ist möbliert, die Hörstationen sind eingerichtet und die tastbaren Objekte, die Texttafeln in Braille- und erhabener Normalschrift sowie die Aktivwerkstatt für Kinder haben in den Osterferien ihren Praxistest absolviert. Das Fazit: Kleine Nachbesserungen sind notwendig, ansonsten ist das Inklusions- und Vorzeigeprojekt im Freilichtmuseum gelungen.

Angelika Mann ist blind. Als Führerin im Stadtmuseum Kaufbeuren weiß sie, worauf es bei der Präsentation von Ausstellungsobjekten ankommt. Zum ersten Mal hat sie kürzlich das Wagnerhäusl persönlich "erfahren". Ihr Fazit: Ohne Begleitung kann ein Blinder das Gebäude nicht betreten und erleben. Aber das war auch nicht das Ziel des Museumsteams. Im Haus sei sie nach einer ersten Orientierung allerdings gut zurechtgekommen, erzählt Angelika Mann. "Die Tastpläne sind gut." Es reiche, wenn die jeweilige Begleitperson Tipps gebe, "aber man braucht nicht ständig deren Hilfe".

Einfacher hat es Claudia Böhme mit ihrer Sehbehinderung. Sie kann Farben wahrnehmen, sich also daran orientieren wie an dem Telemagenta, das im Haus nicht nur moderne Einbauten, sondern auch etwa die Hörstationen kennzeichnet. Nicht alle Sehbehinderte und Blinde seien gleich, sagt sie. Manche könnten sich besser orientieren als andere. Das sei wie bei Sehenden. "Das Konzept funktioniert auf alle Fälle", erklärt sie.

Ferner stand Böhme den Museumsteam tatkräftig als Beraterin zur Seite. Immer wieder findet sie ein paar Punkte zu viel oder zu wenig in der Blindenschrift auf den Texttafeln. Das sei nur ein Detail, das nachgebessert werden müsse, betont Museumsmitarbeiterin Anna Göpfert. Man habe auch gesehen, dass die Schubladen festgestellt werden müssten, damit sie nicht komplett herausgezogen werden können und Besuchern herunterfallen. Für Sehende muss ein Durchblick in der Decke von der Stube rauf ins Schlafzimmer erklärt werden: "Das soll zeigen, dass die warme Luft unten genutzt wurde, um die Zimmer oben zu heizen. Da brauchen wir noch eine Beschriftung."

Die Museen seien derzeit "heftig am lernen", sagte Astrid Pellengahr, Leiterin der Landesstelle für nichtstaatliche Museen. Es sei eine komplexe Aufgabe, sich widerstreitende Bedürfnisse, die Sehende und Nicht-Sehende haben, in einer Ausstellungspräsentation zu vereinen. Daher habe sie das Thema Inklusion in ihrem Haus zur Chefinnen-Sache gemacht. Kania-Schütz hob hervor, dass es sich beim Wagnerhäusl tatsächlich um ein Vorzeigeprojekt im Bereich der Freilichtmuseen handle. Es sei nicht lange her, dass sich der Bezirk Oberbayern, Träger dieser Museen, Inklusion ins Leitbild geschrieben habe. Ausruhen will sich das Freilichtmuseum Glentleiten nicht auf dieser einen Anlaufstelle für Sehbehinderte und Blinde. An der Hochschule Weihenstephan gebe es ein studentisches Projekt, das sich mit den barrierefreien Wegen im Museumsgelände befasst. "Konkret: Wie erreicht man das Wagnerhäusl vom neuen Eingangsgebäude, das die Glentleiten bekommen wird", so Kania-Schütz.

Die Mittel für die Sanierung des Wagnerhäusls, das in seiner Form aus dem Jahr 1821 stammt und bis 1963 bewohnt war, stammen unter anderem von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen, aber auch von der Bayerischen Sparkassenstiftung und den Vereinigten Sparkassen Weilheim. Die Sanierung und der Umbau des historischen Gebäudes kostet insgesamt etwa 70 000 Euro. Die Sparkassenstiftung gab 20 000 Euro, die Vereinigten Sparkassen Weilheim 10 000 Euro. "Das war schon eine hohe Summe", sagte deren Direktor und Vorstandsvorsitzender Josef Koch. Üblicherweise sei bei 1000 Euro Schluss. "Aber Inklusion ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Und wir wussten, dass hier was Tolles entsteht."

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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