Glentleiten:Ein Museum nimmt Inklusion ernst

Das Freilichtmuseum Glentleiten gestaltet das Wagnerhäusl um. Von März an können auch blinde Besucher historisches Handwerk erfahren und erfühlen.

Von Alexandra Vecchiato, Großweil

Inklusion ist nicht nur ein Thema in Schulen. In der UN-Behindertenrechtskonvention geht es vor allem darum, allen Menschen die uneingeschränkte Teilnahme an allen Aktivitäten möglich zu machen. Inklusion bedeutet daher auch das Recht auf eine gemeinsame Teilhabe Behinderter und Nichtbehinderter an Kultur. Das Freilichtmuseum Glentleiten des Bezirks Oberbayern will diesem Anspruch Rechnung tragen. In die neue Saison, die am 19. März beginnt, startet das Museum mit einem Vorzeigeprojekt. Das historische Wagnerhäusl wird sich neu präsentieren: Mittels Hörstationen, tastbarer Objekte und einem barrierefreien Zugang soll es künftig auch für Blinde und Sehbehinderte begeh- und erfahrbar sein.

Eine Sanierung des Wagnerhäusls, das ursprünglich in Brandstätt, Landkreis Rosenheim, stand, sei geplant gewesen, sagte Museumsleiterin Monika Kania-Schütz bei der Präsentation des Konzepts. Da man darauf bedacht sei, bei solchen Arbeiten eine Aufwertung des Objekts zu erreichen, habe man sich entschlossen, das Haus mit dem Thema Inklusion zu verknüpfen. Es stehe zudem an einer Scharnierstelle auf dem 40 Hektar großen Museumsgelände: etwa in der Mitte positioniert, verbinde das Wagnerhäusl den gut besuchten "oberen Teil" des Areals mit dem abseits gelegenen, aber aus Museumssicht wegen der dort präsentierten Bauten anspruchsvollen "unteren Teil".

Weil der Weg vom Museumseingang zum Wagnerhäusl, in dem, wie der Name es schon sagt, ein Wagner also ein "Räder-Macher" wohnte, topografisch anspruchsvoll sei, habe man von vornherein Betroffene eingebunden, betonte Kania-Schütz. Tipps holte sich das Freilichtmuseum von der Landesstelle für nicht-staatliche Museen und vom bayerischen Blinden- und Sehbehindertenverband. So hat das Museumsteam im Außenbereich bei der Umgestaltung darauf geachtet, möglichst Barrieren zu beseitigen. Es sei aber auch klar, dass dies nicht für das gesamte Gelände erreicht werden könne, sagte Kania-Schütz.

Wie Projektleiter Maximilian Keck ausführte, wolle man das Leben in einem Kleinanwesen während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur Blinden und Sehbehinderten vermitteln, sondern auch Menschen ohne Einschränkungen. Vor dem Wagnerhäusl erwartet die Besucher ein Tastmodell des Hauses aus Aluminium. Das Gebäude selbst ist in mehrere Bereiche aufgeteilt: einen Wohnbereich, eine Werkstatt und einen Aktivbereich, in dem Kinder spielerisch Wissenswertes zum Wagnerhandwerk und zum Werkstoff Holz entdecken können. Die Wohnbereiche im Erdgeschoss wie auch im ersten Stock widmen sich verschiedenen Aspekten des Lebens im Haus. Texttafeln zum Ertasten - mit Blindenschrift wie auch mit erhabener Normalschrift - verschaffen die nötige Orientierung, ergänzt werden sie durch Audiostationen.

Die geplante Wagner-Werkstatt wird aus Sicherheitsgründen nicht komplett zugänglich sein. Vor der Absperrung wird wieder eine Tasttafel Sehbehinderte und Blinde informieren. Zudem springt hier beim Betreten des Raumes automatisch der Audioguide an: Ein Wagner erzählt, wie er Räder anfertigt. Über der Werkstatt im ersten Stock befindet sich eine "Hörausstellung": Dort schildern Sehbehinderte und Blinde mittels Audioguide ihren Lebensalltag.

Für Familien mit Kindern besonders interessant dürfte die Entdeckerwerkstatt in der Tenne sein. Auch dort gibt es vieles zu ertasten, aber eben auch zum Selbstwerkeln. Verschiedene Holzarten werden vorgestellt wie darüberhinaus Werkzeuge. Kinder können mit Holz arbeiten.

Die Mittel für die Sanierung des Wagnerhäusls, das in seiner Form aus dem Jahr 1821 stammt und bis 1963 bewohnt war, hat der Bezirk bereitgestellt. Für die Finanzierung des Vorzeigeprojekts suchte das Freilichtmuseum einen Sponsor und fand ihn in der Bayerischen Sparkassenstiftung und den Vereinigten Sparkassen Weilheim. Beteiligt sind zudem die Landesstelle wie der Freundeskreis Freilichtmuseum Südbayern. Das Projekt kostet insgesamt etwa 70 000 Euro. 20 000 Euro stammen von der Sparkassenstiftung, 10 000 von den Vereinigten Sparkassen Weilheim.

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