Gesundheitsversorgung:Mehr als Tausend Protestler

Gesundheitsversorgung: In der Kreisklinik Wolfratshausen werden Notfälle behandelt. Wen aber die Grippe plagt, muss bald weite Wege zum Bereitschaftsarzt in Kauf nehmen

In der Kreisklinik Wolfratshausen werden Notfälle behandelt. Wen aber die Grippe plagt, muss bald weite Wege zum Bereitschaftsarzt in Kauf nehmen

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Standort Wolfratshausen soll für den ärztlichen Bereitschaftsdienst geschlossen werden. Das erzürnt viele Bürger und nun auch den Wolfratshauser Bürgermeister. Der Landrat hingegen ist zwiegespalten

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es ist ein deutliches Signal des Protests: Rund 1200 Bürger haben bislang ihre Unterschrift gegen den Wegfall der Loisachstadt als Standort für den ärztlichen Bereitschaftsdienst gesetzt. Dazu kommen noch einmal über 100 Unterschriften aus der Gemeinde Icking, wo die Änderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) zum Oktober dieses Jahres besonders zu spüren sein wird. Ärzte, Patienten und Ickings Rathauschefin Margit Menrad erhalten nun Unterstützung: Auch Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) stemmt sich gegen die Umstrukturierung. "Bei mir rumort es, das sage ich ganz deutlich", erklärt er. In der Februarsitzung will er deshalb mit dem Stadtrat beraten, wie gegen die Pläne vorgegangen werden kann.

Die KVB will mit der Reform die Dienstbezirke erweitern. Derzeit gibt es noch drei Standorte im Landkreis, an denen Mediziner von 18 Uhr bis 8 Uhr am folgenden Tag, mittwochs und freitags von 13 bis 8 Uhr und an den Wochenenden sowie den Feiertagen 24 Stunden für Behandlungen bereit stehen: im Nordlandkreis, in Geretsried und im Südlandkreis. Von Oktober an soll jedoch der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit Miesbach zu einem einzigen Bereich zusammengefasst werden, so dass es Bereitschaftsdienste nur mehr in Agatharied und Bad Tölz geben soll sowie einen Fahrdienst für Hausbesuche. Folglich bedeutet das keine Versorgung mehr in Wolfratshausen und Geretsried.

Die Vorgabe zur Reform: Die neuen Bereitschaftsdienststandorte müssen für Patienten in 30 Minuten erreichbar sein. Dies ist aber von Icking aus nicht gewährleistet - sie sollen nach Ansicht der KVB stattdessen nach Starnberg oder München fahren. Doch auch von Wolfratshausen aus wird es zeitlich eng - zumal mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Menrad, ihr Wolfratshauser Amtskollege und die Ärzte im Nordlandkreis befürchten deshalb, dass die Patienten auf die Notfallaufnahme in der Wolfratshauser Klinik ausweichen und diese überlastet werde. Heilinglechner kritisiert, dass die Reform zentralistisch übergestülpt werde, ohne regionale Besonderheiten zu beachten. "Die Umstrukturierung mag für Regionen sinnvoll sein, in denen es kaum mehr Hausärzte auf dem Land gibt", sagt er. Hier sei das aber nicht der Fall. "In unserem Bereich sind wir gut aufgestellt mit Haus- und Allgemeinmedizinern."

Noch immer würden sich ihm zufolge viele nicht vor Augen führen, was die Reform konkret bewirken werde: "Denn die Ärzte aus Wolfratshausen bleiben ja mit eingeteilt. Da fährt dann also ein Arzt aus Icking oder Wolfratshausen nach Tölz, um dort einen Patienten zu behandeln, der ebenfalls aus Icking oder Wolfratshausen nach Tölz fahren musste." Das sei für ihn "irrsinnig", zumal es in Wolfratshausen ein Krankenhaus gebe, "das sicherlich Räume zur Verfügung stellen könnte".

Landrat Josef Niedermaier (FWG) hingegen sieht das anders. Als die Standorte erstmals diskutiert wurden, habe die Wolfratshauser Kreisklinik bei den Nordlandkreis-Ärzten nachgefragt, ob dort eine Bereitschaftspraxis gewünscht werde. "Da kam aber nur wenig Interesse zurück, folglich hat sich die Klinik auch nicht mehr eingespreizt", sagt der Landrat. Er selbst sei zwiegespalten bei dem Thema. "Natürlich bedeutet die Reform eine Verschlechterung für unseren Landkreis, da brauchen wir nicht reden". Doch es sei ein Problem der Ärzte, nicht der Politik.

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Für Josef Niedermaier ist es ein Problem der Ärzte.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die KVB reagiere damit schließlich auf eine Forderung der Bayerischen Ärzte, um das System überhaupt noch am Laufen zu halten. Diese hätten lange schon über Nachwuchsmangel geklagt und eine Entlastung im Bereitschaftsdienst gefordert. In strukturschwächeren Regionen außerhalb Oberbayerns würden die Reformpläne nun begrüßt, weil sie zumindest das System am Laufen hielten. "Wir aber in einer eh schon überversorgten Region protestieren", gibt er zu bedenken und schlussfolgert: "Da kommt nix raus."

Derweil hat die KVB bereits einen förmlichen Antrag der Ärzte aus dem Nordlandkreis abgelehnt, doch noch eine Kooperationsbereitschaftspraxis an der Wolfratshauser Klinik einzurichten. In dem Ablehnungsschreiben erklärt Guido Zdrenka, Regionalleiter Notdienste Südbayern der KVB, dass die Option überprüft wurde. "Für die Einrichtung weiterer Praxen besteht derzeit weder unter Versorgungsgesichtspunkten ein Bedarf, noch wäre dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt."

Heilinglechner warnt davor, das untätig hinzunehmen, denn die Reformpläne seien schlichtweg zu starr. Er ist entschlossen, mit dem Stadtrat eine Lösung zu suchen: "Unsere Ärzte brauchen in dieser Situation die Unterstützung der Politik."

Gesundheitsversorgung: Klaus Heilinglechner hält die Pläne für "irrsinnig".

Klaus Heilinglechner hält die Pläne für "irrsinnig".

(Foto: Hartmut Pöstges)
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