Gespräch:Zum Abschied eine Uraufführung

Nach 25 Jahren ziehen sich Christoph und Susanne Kessler als Veranstalter zurück. Am Samstag spielt das Novus String Quartet ein Auftragswerk des Vereins "Klangwelt Klassik"

interview Von Stephanie Schwaderer

Wer Christoph und Susanne Kessler kennt, wird es kaum glauben können: Mit dem Konzert des Novus String Quartets an diesem Samstag werden sich der 66-Jährige und seine Frau als Veranstalter aus der von ihnen gegründeten Reihe "Meistersolisten im Isartal" zurückziehen. Mehr als 25 Jahre haben sie sich ehrenamtlich für die Kultur in der Region eingesetzt und etwa 200 Konzerte vorangetrieben. Wegen einer ernsten Erkrankung hat Christoph Kessler den Vorsitz im Verein "Klangwelt Klassik" vor kurzem niedergelegt. Seine Frau scheidet mit ihm aus dem Vorstand aus.

SZ: Das Konzert am Samstag verspricht in mehrerer Hinsicht außerordentlich zu werden: Ein junges Ensemble aus Korea spielt ein Werk von Nikolaus Brass, das von Ihrem Verein in Auftrag gegeben wurde. Der Bayerische Rundfunk zeichnet die Uraufführung auf. Wie ist Ihnen das gelungen?

Christoph Kessler: Dass dieser Abend nun unser Abschiedskonzert wird, ist reiner Zufall, aber denkwürdig. Den Vertrag mit dem Novus String Quartett haben wir schon 2012 abgeschlossen, beim Internationalen ARD Wettbewerb in München. Damals wusste noch keiner, wie berühmt die vier in kürzester Zeit werden würden.

Susanne Kessler: Sie belegten damals den zweiten Platz. Als wir sie spielen hörten, waren wir uns sofort einig, dass wir sie engagieren wollten. Nach der Preisverleihung sind wir hinter die Bühne gestürmt, haben ihnen gratuliert und sie gefragt, ob sie nicht bei uns in Icking auftreten wollten. Sie waren überrascht und haben sich gefreut. Die Verträge hatten wir schon vorbereitet in der Tasche. Die Unterschrift ging schnell.

Sie hatten die Verträge schon dabei?

Service

Das Novus String Quartet wurde von den Kesslers unter Vertrag genommen, als es noch nicht bekannt war. Nun spielt es für sie das Abschiedskonzert.

(Foto: Veranstalter/oh)

Christoph Kessler: Ja, so machen wir das immer. Alles läuft auf persönlicher Basis bei besonderen Situationen. Man muss früh dabei sein, sonst hat man als kleiner Veranstalter keine Chance. Später waren die vier bei einer großen Agentur unter Vertrag, ein Engagement wäre schwieriger und teurer geworden. Wir kämpfen gegen exklusive Zehn-Jahres-Verträge großer Münchner Veranstalter an, die keine Engagements im Münchner Umland zulassen. Manchmal muss man auch hartnäckig sein. An den Auftritt des berühmten Ensembles Quatuor Modigliani habe ich viele Jahre hingearbeitet. Die Korrespondenz füllt 30 Seiten. Und nun werden sie im Januar 2017 hier spielen - grandios.

Sie haben Pläne bis 2017?

Christoph Kessler: Eine Reihe von Terminen in 2017 und 2018 ist fix. Was komplett steht, ist das Programm für 2016. Karten sind gedruckt, die Finanzierung ist gesichert. Wie es dann weitergeht, werden meine Nachfolger entscheiden.

Gibt es bereits Nachfolger?

Christoph Kessler: Wir waren bislang vier Vorstandsmitglieder. Meine Frau und ich sind bis Ende des Jahres noch kommissarisch tätig. Dann werden die beiden verbliebenen Vorstände, Professor Werner Wellhöfer und Doktor Hermann Weidner, übernehmen und sich nach neuen Mitstreitern umsehen.

Die Hoffnung, dass andere Veranstalter die Reihe übernehmen könnten, hat sich zerschlagen?

Christoph Kessler: Die haben alle abgewunken, als sie gehört haben, dass wir ohne die Unterstützung der Gemeinde arbeiten. Und die Gemeinde sieht nicht, dass es um die Sicherung eines Juwels geht, sondern um die Aushilfe bei einem Personalengpass, den sie nicht zu leisten vermöge.

Susanne Kessler: Als Konzertbesucher macht man sich ja keine Vorstellung davon, wie viel Arbeit dahintersteckt: Plakate entwerfen, drucken und aufhängen, Karten verschicken, sich die Hacken nach Sponsoren ablaufen, seitenlange Zuwendungsanträge schreiben. Um den Konzertsaal herzurichten, schleppen Vereinsmitglieder jedes Mal vier Stunden Stühle. Das ist Knochenarbeit. Aber wir haben das immer gern gemacht, weil dies unser Lebensinhalt war.

Gespräch: Christoph Kessler hat die Klassik-Szene im Landkreis wie kein Zweiter geprägt. Aus gesundheitlichen Gründen muss er kürzer treten.

Christoph Kessler hat die Klassik-Szene im Landkreis wie kein Zweiter geprägt. Aus gesundheitlichen Gründen muss er kürzer treten.

(Foto: oh)

Und jetzt können Sie tatsächlich loslassen?

Christoph Kessler: Man kann sich vorstellen, wie mir das Herz blutet. Loslassen ist ein längerer - schmerzhafter, aber notwendiger - Prozess.

Susanne Kessler: Das wichtigste ist, dass mein Mann wieder gesund wird. Ich werde darauf achten, dass er sich schont, dass er laufen geht und nicht nächtelang vor dem Computer sitzt und sich Gedanken über Konzerte macht.

Christoph Kessler: Das Loslassen fällt leichter, wenn man daran denkt, was in den vergangenen 25 Jahren alles passiert ist: Zauberflöte im Bergwald, Milleniumskonzert mit Beethovens 9. Symphonie, Carmina Burana auf der B11 mitten in Wolfratshausen, Konzertreisen nach Japan und Frankreich, Abende mit den berühmtesten Streichquartetten aus Europa, USA, Russland und Korea - wer hat solche Erlebnisse in seinem Leben? Beglückend.

Susanne Kessler: Bereichernd, nicht nur seitens der musikalischen, sondern auch von den menschlichen Begegnungen her.

Nikolaus Brass, bei dem Sie ein Streichquartett in Auftrag gegeben haben, ist Komponist und Mediziner. Er sagt, dass ihn die Konfrontation mit der Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins bei der Suche nach Ausdruck als Kompass diene.

Christoph Kessler: Das berührt mich sehr, eine Saite meines Inneren, mein Leben hat auch einige Brüche. Dies ist für mich Lehre, die verbleibende kostbare Zeit zu nutzen, aufmerksam gegenüber Zerbrechlichkeiten zu sein. Brass und ich sind uns bislang nur einmal in München begegnet, als wir uns mit dem Novus String Quartet getroffen haben. Seine Persönlichkeit beeindruckte mich sehr.

Susanne Kessler: Er hat darauf gedrungen, dass wir neben Mozart und Schubert auch die Bagatellen von Anton Webern ins Programm nehmen, diese kürzesten, konzentriertesten Kleinststücke, die typisch für die Wiener Schule sind.

Christoph Kessler: In ihnen spiegelt sich seine Komposition. Ich bin wirklich gespannt auf Samstag! Mein Abschied tritt da zurück.

Samstag, 28. November, 19.30 Uhr, Gymnasium Icking, Einführung Susanne Kessler und Nikolaus Brass 18.30 Uhr; Karten über München Ticket

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