Gesellschaft unterm Apfelbaum:Linda und der Pharao

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Vorstadt-Trio (v. l.): Inge Rassaerts, Isabel Kott, Rainer Haustein. (Foto: Pöstges)

"Die Spinx von Giesing": Sehnsüchte und verpasste Chancen

Von Benjamin Engel, Icking

Zu Wassermelonen hat die Ella ein eigenes Verhältnis: Ihre Oma füttert sie immer damit. Doch sie mag die Kerne nicht. Und die roten Früchte erinnern das junge Mädchen an ihr eigenes Innenleben: melancholisch, zuckersüß, schichtweise zusammengepresst und von einer dicken Schale in Form gehalten. An der festen Form allerdings mangelt es im Beziehungsgeflecht der drei Protagonisten in "Die Sphinx von Giesing" von Stefan Kastner. So wird das Stück beim Ickinger Theatersommer der Gesellschaft unter dem Apfelbaum am Samstag zur Parabel über Wünsche, Sehnsüchte und verpasste Chancen.

Isabel Kott spielt die Ella als aufgewecktes Mädchen, das die Zeit bei ihrer Oma, der Platzwartin vom FC Giesing, verbringt. Nach dem Abschlusszeugnis fiebert die Ella dem Fußballspiel des Vereins gegen den FC Steinhausen entgegen. Denn sie dürfte bei den Jungs mitspielen, in der Innenverteidigung, wo sie noch jeden abgefieselt hat. Doch daraus wird erst einmal nichts: Das Denkmalamt hat den Platz sperren lassen. Irgendwo unter dem grünen Gras vermuten die Archäologen das Grab einer Tochter von Pharao Ramses III. Darauf hat es Rainer Haustein abgesehen - er verkörpert den Präsident des FC Giesing mit proletenhaftem Charme - und buddelt schon einmal im Loch, obwohl das eigentlich verboten ist. Er ist der frühere Schwiegersohn der Oma, war mit deren Tochter Linda zusammen. Die Linda hätte er gerne zurück. Das machen Filmprojektionen, in denen seine Wünsche und Sehnsüchte aufscheinen, deutlich. Dafür käme ihm der Pharaonenschatz gerade recht. Denn als Zweigstellenleiter und Feinwaschmittelexperte eines kleinen Supermarktes könnte er gutes Renommee und Geld dringend brauchen. Doch er findet nur ein Tipp-Kick-Spiel, das Franz Beckenbauer dem Verein zum Abschied geschenkt hat, und das aus Angst vor dem Einmarsch der Russen vergraben wurde.

Die beherzten Schauspieler nehmen die Zuschauer mit in die Münchner Vorstadt

Die Oma verkörpert Inge Rassaerts als resolute Frau, die nur das Beste für ihre Tochter Linda will. Schließlich hat die als einzige in der Familie und im Haus die Mittlere Reife. Da konnte der Präsident als Supermarkt-Lehrling gegen seinen Nachfolger Edi, den Gebrauchtwagenverkäufer von der Tegernseer Landstraße, schon rein verdienstmäßig nur wenig punkten. Jetzt ist der Edi tot, und deshalb hat die Linda den Harald, Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung. Wenn der Präsident aber den Ägypterschatz fände, stünde er wohl wieder hoch im Kurs.

Dank beherzter Schauspieler können die Zuschauer rund eineinhalb Stunden in den kleinbürgerlichen Mikrokosmos der Münchner Vorstadt eintauchen. Das unterhaltsame Stück besticht durch skurrilen Charme und lebensnah gezeichnete Charaktere. Leider wollten es in Icking bei der Gesellschaft unterm Apfelbaum nur wenige sehen. Wie es mit Ella, Linda und Co weitergeht, kann man im Oktober sehen. Dann hat der zweite Teil der "Sphinx von Giesing" im Münchner Theater Hofspielhaus Premiere.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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