Gerichtsurteil:Ein Fall voller Rätsel

Sexuelle Annäherung im Bus: Gericht spricht 19-Jährige von falscher Verdächtigung frei

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Mit einem Freispruch für die Angeklagte endete am Donnerstag das Verfahren wegen falscher Verdächtigung vor dem Amtsgericht Wolfratshausen. Damit sind nun auch die Gegenvorwürfe vom Tisch, die von der Staatsanwaltschaft nach einem Verfahren gegen einen Busfahrer wegen sexueller Nötigung gegenüber der damaligen Anklägerin - und jetzigen Angeklagten - erhoben worden waren. In diesem ersten Verfahren war der Busfahrer vom Vorwurf der sexuellen Nötigung gegenüber der 19-Jährigen freigesprochen worden.

Die Frage, ob sich das Mädchen und der 31-jährige Busfahrer in jener Nacht vor zwei Jahren einvernehmlich näher gekommen sind, oder ob der Mann die junge Frau doch sexuell genötigt hat, konnte wie schon im vorhergehenden Verfahren nicht eindeutig geklärt werden. Und diese Zweifel konnten nun auch in dieser Verhandlung nicht ausgeräumt werden. Sie bildeten deshalb die Grundlage für den Freispruch der Angeklagten.

Der Mann hatte zwar im Laufe des Verfahrens sexuelle Handlungen mit der jungen Frau eingeräumt. Allerdings erst, nachdem ihm vorgehalten wurde, dass seine DNA-Spuren an Ohr und Brust des Mädchens festgestellt worden waren. Auch wenn sich das Gericht keine Einschätzung zutraute, was sich genau im Bus abgespielt hatte: Richter Urs Wäckerlin war zumindest "überzeugt, dass es im Bus einen Punkt gegeben hat, an dem definitiv die Grenze für das Mädchen überschritten wurde". Angeblich sollen sich außerdem Arbeitskollegen des Busfahrers über den Fall unterhalten haben: Es habe ein Angebot gegeben, Geld zu zahlen, falls das Mädchen die Anklage fallen lässt. Aber auch das konnte vor Gericht nicht geklärt werden, denn der betreffende Zeuge erschien nicht. Er ignorierte sogar einen Vorführbefehl, die Beamten trafen ihn nicht an der gemeldeten Adresse an. Möglicherweise ist er inzwischen im Ausland tätig.

Richter Wäckerlin verlas die Aussage der Angeklagten aus dem Protokoll. Sie hatte angegeben, den Busfahrer seit etwa zwei Jahren flüchtig gekannt zu haben. Stets sei er es gewesen, der auf den Fahrten von und zur Arbeit das Gespräch mit ihr gesucht habe. An jenem Abend wollte sie eine Fahrkarte kaufen, doch der Busfahrer habe abgewunken - "das passt schon", soll er geantwortet und sie stattdessen gebeten haben, vorne Platz zu nehmen. "Falls ein Kontrolleur kommt, könne er sagen, ich gehöre zu ihm." Warum sie allerdings nicht an der Endhaltestelle ausstieg, sondern mit ihm weiter zum Wendehammer mitfuhr, wo es zu den Übergriffen gekommen sein soll, ließ sich nicht klären.

Generell gab es laut Wäckerlin zahlreiche Ungereimtheiten, die eine Beurteilung "schwierig bis unmöglich" machten. Nicht zuletzt auch das Verhalten der Angeklagten: Mit ihrer Mitfahrt bis zum Wendehammer habe sie eine Situation heraufbeschworen, "die jemand mit mehr Lebenserfahrung sofort als heikel und brenzlig einstufen würde", sagte Wäckerlin. Die Angeklagte habe ein erhebliches Maß an Naivität und Blauäugigkeit an den Tag gelegt: "Da hätten alle Alarmglocken schrillen müssen." Doch weil auch der Busfahrer in seinem Verfahren nicht von Anfang die Wahrheit gesagt hatte, blieben bis zuletzt Zweifel an seiner Aussage wie an der des Mädchens. Nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" entschied das Gericht nun eben für die Angeklagte.

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