Verzweiflungstat in Geretsried:Depressiver Mann ersticht Ehefrau

Jahrelang hat der 59-Jährige an Depressionen gelitten - dann erdrückten in die Zukunftsängste: Mit zwölf Messerstichen tötete er seine pflegebedürftige Frau. Nun prüft das Landgericht, ob er dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wird.

Von Christian Rost

Ein an schweren Depressionen leidender Mann aus Geretsried hat am Montag am Landgericht München II gestanden, seine Frau mit zwölf Messerstichen getötet zu haben. Als Auslöser für die Attacke auf seine pflegebedürftige Frau gab der Beschuldigte permanente Angst vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes an. Wegen seiner psychischen Erkrankung gilt Friedrich W. als schuldunfähig. Das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Martin Rieder wird letztlich über seine dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung entscheiden.

Die Depressionen machten dem 59-Jährigen seit etwa zehn Jahren schwer zu schaffen. Wenn in dem Baubetrieb, in dem er als Kranführer arbeitete, die Auftragslage schlecht war, wirkte sich das direkt auf seine Psyche aus. Regelmäßig fragte er seinen Chef nach der Lage im Betrieb. Je nachdem, wie die Antwort ausfiel, war W. entweder beruhigt oder stürzte in ein tiefes Loch. 2012 herrschte wieder einmal Krisenstimmung wegen fehlender Aufträge. Als W. davon hörte, nahm er noch in der Firma einen Strick, um sich zu erhängen. Das Seil riss jedoch. Für einen zweiten Suizidversuch fehlte ihm die Kraft: "Dann bin ich halt nach Hause gegangen", sagte W.

Erdrückende Zukunftsängste

Er lebte in Geretsried mit seiner gleichaltrigen Ehefrau in einer Eigentumswohnung, die bis auf ein kleines Darlehen in Höhe von 15 000 Euro abbezahlt war. Mit seinem Einkommen von 1400 Euro netto und rund 50 000 Euro an Erspartem hätte W. die Abzahlung bis zum Renteneintritt problemlos bewältigen können. In seinen depressiven Phasen jedoch traute sich der Mann überhaupt nichts mehr zu und wurde von Zukunftsängsten schier erdrückt. Als weitere Belastung kam hinzu, dass er seine Frau pflegen musste, die seit einem Schlaganfall 2003 halbseitig gelähmt war.

Friedrich W. war seit 1979 verheiratet. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Seine Depressionen versuchte er anfangs mit Alkohol zu dämpfen, sechs bis acht Flaschen Bier trank er täglich, was ihm Ärger mit seinem Chef einbrachte und seine Ängste vor dem Jobverlust noch verstärkte. 2012 wurde er schließlich ins Krankenhaus Agatharied eingewiesen und mit Psychopharmaka behandelt, was ihn stabilisierte. Die Medikamente nahm er regelmäßig ein, am Tattag jedoch überkamen ihn die Ängste bereits früh morgens im Bett. Es war der 10. Juni dieses Jahres, als er wach lag und seine Lebenssituation wieder einmal als unerträglich empfand. Plötzlich sagte er zu seiner neben ihm liegenden Frau: "Ich bring dich um." Sie konnte ihm aufgrund ihrer Lähmung nichts entgegnen, und schon griff er nach einem Kissen und drückte es seiner Frau auf das Gesicht, um sie zu ersticken.

Frau kann sich nicht wehren

Die 58-Jährige wehrte sich dagegen, woraufhin W. sagte: "Dann stech ich dich eben ab." Er holte sich aus der Küche ein Messer mit elf Zentimeter langer Klinge. Seine Frau hatte sich inzwischen in den Rollstuhl gesetzt und befand sich bereits im Flur, als ihr Mann von hinten an sie herantrat. Eine Messerattacke auf ihren Hals konnte die 58-Jährige noch abwehren, dann aber stach Friedrich W. zwölf Mal auf ihren Oberkörper ein. Die massiven Stiche trafen Lunge und Herz. Danach fühlte der Mann den Puls seiner Frau und vergewisserte sich, dass sie nicht mehr lebte. Anschließend wusch er das Messer ab, trank eine Flasche Bier, nahm seine Tabletten und rief die Polizei.

"Ich wollte nicht, dass sie mitbekommt, wenn wir alles verlieren", sagte W. zu seinem Motiv. Zuvor hatte seine Verteidigerin Birgit Schwerdt ein pauschales Geständnis für ihn abgelegt. W. glaubte, dass er die Wohnung hätte verkaufen müssen, wenn er arbeitslos geworden wäre. Mit der Tat wollte er alles hinter sich lassen: "Sollen sie mich einsperren. Das ist ein schöneres Leben als draußen", habe er sich gedacht, so W. Heute sehe er die Tat anders: "Es tut mir leid, das hätte ich nicht machen dürfen. Ich weiß nicht, was in meinem Kopf vorgegangen ist." Der Prozess wird fortgesetzt.

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