Geretsried:Zwischen Tradition und Integration

Die Kreisgruppe der Siebenbürger Sachsen, eine der größten Landsmannschaften in Bayern, feiert ihr 60-jähriges Bestehen und versteht sich als ein Brückenbauer zwischen den Völkern.

Von Wolfgang Schäl, Geretsried

Geretsried: 60 Jahre Verband der Siebenbürger Sachsen. Einzug der Fahnenabordnung und der Tanzgruppen.

60 Jahre Verband der Siebenbürger Sachsen. Einzug der Fahnenabordnung und der Tanzgruppen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Eigentlich ist die Tracht der Siebenbürger Sachsen ja schwarz-weiß, gleichwohl aber bot sich ein buntes Bild im vollbesetzten Saal der Geretsrieder Ratsstuben, wo die Kreisgruppe der Landsmannschaft am Samstag ihr 60-jähriges Bestehen feierte. Denn zum Jubiläum hatten sich die Frauen über ihren wertvollen Gewändern mit allerlei bunten Bändern, Schürzen und Schleifen geschmückt, und auch die Männer trugen mit ihren mehrfarbigen Bindern am Kragen zu dem Eindruck bei, dass hier in entspannter Atmosphäre gefeiert werden sollte. Nicht, dass es an einer Fahnenabordnung und an ernsten Worten über den Erhalt der Tradition und der übernommenen Kultur gefehlt hätte, die atmosphärischen Höhepunkte des langen Nachmittags waren dann aber doch die geselligen, folkloristischen Beiträge: Auftritte des Frauenchors und der Tanzgruppen aller Altersstufen mit ihren verwirrend komplizierten Schritt- und Formationsfolgen, Lieder aus der alten Heimat und Gedichte. Der größte Applaus indes galt den Kinder- und Jugendtanzgruppen, der jüngste Akteur auf der Bühne wird wohl kaum älter als drei Jahre alt gewesen sein, er absolvierte seinen Auftritt weitgehend ohne Bodenhaftung an den Händen seiner fürsorglichen Partnerin - besonders ihm flogen die Herzen entgegen.

Geretsried: Die Kinder-Tanzgruppe

Die Kinder-Tanzgruppe

(Foto: Hartmut Pöstges)

Offizielle Festrednerin war die Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel, die bis vor einigen Jahren noch selbst dem Kreisverband vorgestanden hat. Sie stellte ihre Ansprache unter das Motto: "Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten." Die Bad Tölz-Wolfratshauser Kreisgruppe der Siebenbürger Sachsen sei bayernweit eine der größten und aktivsten, sie biete einige spezielle kulturelle Besonderheiten wie die Urzeln, die Tanz- und Handarbeitsgruppen und vor allem die beispielhafte Jugendarbeit, betonte Daniel. Zu den "verlässlichsten Kultursäulen" zählte sie den Chor, der die Jubiläumsveranstaltung denn auch mit mehreren Auftritten umrahmte. Lobende Worte fand Daniel für die Kreispolitik, die für die Landsmannschaften "exzellente Rahmenbedingungen" geschaffen und durch die freundliche Aufnahme in Geretsried den Ausgangspunkt für ein neues Leben geschaffen habe. Wichtig ist es aus Sicht der Bundesvorsitzenden festzuhalten, "dass wir Aussiedler und Spätaussiedler Deutsche sind und unsere Kultur ein Teil der deutschen Kultur ist". Nur so sei es auch gelungen, eine enge Vernetzung mit der einheimischen Bevölkerung zu erreichen. Eine ebenso große Bedeutung kommt nach Daniels Worten "dem Brückenbau zwischen den Völkern Europas" zu - "wir sind gefragt als Partner beim Aufbau Europas". Denn die Siebenbürger Sachsen seien "eine Wertegemeinschaft aus humanistischer Tradition". Aktive Heimat- und Brauchtumspflege biete den Siebenbürgern einen sicheren Halt, und deshalb hätten die Aktiven der Kreisgruppe alles getan, um den tragenden Begriff Heimat auch der jungen Generation nahezubringen, "ohne jedoch die Integration aus den Augen zu verlieren". Die Arbeit der Landsmannschaft bewertete Daniel als "aktiven Beitrag zur Völkerverständigung".

"Sehr beeindruckt" zeigte sich Landrat Josef Niedermaier insbesondere von Daniels Worten zum Thema Integration. Hier habe man es mit vielen Detailproblemen zu tun, die Bundesvorsitzende habe "sehr gut dargestellt, dass es nicht immer so einfach geht". Vertreter der Stadt war Dritter Bürgermeister Gerhard Meinl, der als Motto für seine Ansprache den zweiten Satz auf dem Gedenkstein am Rathaus wählte: "Arbeit und Fleiß schufen uns Ehr`". 60 Jahre, das seien zwei Generationen, in denen Geretsried ein Teil des Nachkriegs-Europas gewesen sei - hier hätten sich verschiedenste Kulturen und Geschichtsstränge verflochten. "Und trotzdem", sagte Meinl, "sind Sie Siebenbürger geblieben, so wie ich Egerländer geblieben bin, Sie haben ihre Identität behalten".

Die Kreisgruppen-Vorsitzende Gerlinde Zurl-Theil betonte im Anschluss an die Begrüßung der vielen Ehrengäste, dass das geschichtliche Erbe eine der wertvollsten Kraftquellen der Siebenbürger Sachsen sei, die sich aber auch Neuerungen nicht verschließen dürften. In Anlehnung an einen von Bundespräsident Joachim Gauck abgewandelten Satz John F. Kennedys sagte Zurl-Theil: "Frage nicht ständig, was unsere Gemeinschaft für dich tun kann, sondern was du für alle Siebenbürger Sachsen und unsere Kreisgruppe tun kannst." "Wenn wir diesen Satz beherzigen", schloss die Vorsitzende, "dann feiern wir auch das 100-Jährige als Siebenbürger Sachsen hier in den Ratsstuben - so sie dann noch stehen".

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