Geretsried:Zweimal Atem anhalten

Bei der partnerschaftlichen Begegnung Chamalières-Geretsried gibt es einen bangen Moment für Bürgermeister Michael Müller beim Anzapfen - und einen weiteren bei der imposanten Kunstturner-Show

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Michael Müller ist nervös. Seit der Geretsrieder Bürgermeister vor drei Monaten sein Amt angetreten hat, muss er sich am laufenden Band bewähren: So manche Stadtratssitzung hat er bereits souverän geleitet, sich als Redner bei diversen Feiern passabel geschlagen und mit dem Anstoß zur Gründung eines Jugendrats gezeigt, dass er den Willen hat, in seiner Stadt etwas zu bewegen. Seine eigentliche Feuerprobe aber hat mit Politik nur wenig zu tun. Noch nicht einmal mit dem Rathaus. Sie findet auf dem Sommerfest statt. Ist Müller imstande, ein Bierfass anzustechen? Er weiß es nicht. Er hat es noch nie gemacht.

Nach bayerischer Tradition übernimmt der Bürgermeister den Anstich, und naturgemäß ist die Gefahr hoch, sich dabei zu blamieren. Gut 1000 Menschen sehen dem neuen Bürgermeister auf die Finger, als er am Freitagabend den Zapfhahn anlegt und mit dem Schlegel ausholt. Er trifft, er trifft ein zweites Mal, es spritzt; Müller geht auf Nummer sicher und schlägt noch zweimal nach. Später gibt es Diskussionen darüber, wie viele Schläge er nun wirklich brauchte. Man einigt sich auf die Goldene Mitte: drei Schläge. Die Feuerprobe hat er bestanden. Und weil er bemüht ist, sich als bürgernaher und transparenter Bürgermeister zu profilieren, gibt er danach auch offen zu, nervös gewesen zu sein.

Geretsried: Eine Premiere: Bürgermeister Michael Müller zapft an - und damit ist das Geretsrieder Sommerfest eröffnet.

Eine Premiere: Bürgermeister Michael Müller zapft an - und damit ist das Geretsrieder Sommerfest eröffnet.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Noch nicht ganz klar ist zunächst, wie Müller Geretsried gegenüber der französischen Partnerstadt Chamalières vertreten wird. Erst im vergangenen Jahr haben die Städte das 30-jährige Bestehen ihrer Partnerschaft begangen, damals aber war noch Cornelia Irmer im Amt. Etwa 100 Personen sind derzeit aus Chamalières zu Besuch, darunter 13 Turner der Union Sportive und 18 Artisten der Zirkus-Schule Astuces Compagnie Ecole de Cirque Chamalières. Zusammen mit den Turnern des TUS Geretsried haben sie am Samstagnachmittag ihr Können demonstriert.

Die zehn Jahre alte Zoé Boyer - in ihrer Altersklasse mehrfache französische Meisterin im Trampolin-Springen - zeigte Ausschnitte aus ihrem Programm für die Meisterschaften im kommenden Jahr. Kerzengerade ausgestreckt hoch in die Luft springen, vorwärts und rückwärts Salti schlagen, sich im Salto drehen, mal bäuchlings, mal auf dem Rücken landen, all das in einer fließenden, rhythmischen Abfolge: Die Zuschauer auf der Tribüne der Adalbert-Stifter-Turnhalle kamen aus dem Applaudieren gar nicht mehr heraus. Bisweilen blieb ihnen auch kurz das Herz stehen, wie in dem Moment, als eine Turnerin der Union Sportive einen Rückwärtssalto auf dem Schwebebalken wagte. Die TUS-Turnerinnen zeigten im Wechsel mit den Franzosen eine flüssige Choreografie aus Rädern, Spagaten, Salti auf dem Trampolin und Handständen auf Bänken.

Geretsried: Zur Eröffnung des Sommerfests und zur Feier der Städtepartnerschaft fand ein großer Umzug statt.

Zur Eröffnung des Sommerfests und zur Feier der Städtepartnerschaft fand ein großer Umzug statt.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Den Höhepunkt des Nachmittagsspektakels markierte der Auftritt der Zirkusartisten. Drei junge Männer mit Strohhüten übten auf Einrädern das Seilspringen; eine Artistin und ihr Partner ließen neonfarbene Diavolos quer durch die Halle fliegen und fingen sie mit gespannten Seilen auf; junge Frauen wickelten sich um Trapeze und verbogen sich zu eleganten, mutigen Figuren, wobei sie eine Körperspannung an den Tag legten, die ihresgleichen sucht. Im kommenden Jahr sollen die TUS-Turnerinnen nach Chamalières reisen, sagte Müller in seiner Ansprache in der Adalbert-Stifter-Halle; mit Louis Giscard d'Estaing, Rathaus-Chef der Partnerstadt, sei das am selben Nachmittag vereinbart worden.

Die Pläne dürften ganz im Sinne von Karin Schlich sein, denn ihr erklärtes Ziel ist es, den Schüleraustausch zwischen Geretsried und Chamalières zu intensivieren. Es freue sie, dass diesmal so viele Jugendliche mit nach Geretsried gekommen seien, sagte sie, schließlich sollten die jungen Leute die Partnerschaft später weiterführen. Bislang wird der Schüleraustausch einmal im Jahr am Gymnasium veranstaltet, bald sollen noch die Realschule Geretsried und die Montessori-Schule Dietramszell eingebunden werden. Auch für Schlich war dieser Besuch eine Premiere: Sie hatte die Leitung des Partnerschaftsvereins erst Anfang des Jahres von Yvette Sauer übernommen. In französischen Partnerschafts-Komitee ist Gilles Genevois in die Fußstapfen von Michelle Clément getreten.

Geretsried: Akrobatische Darbietungen: Am Nachmittag gab es mehrere Vorführungen.

Akrobatische Darbietungen: Am Nachmittag gab es mehrere Vorführungen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Dass es trotz aller Veränderungen in gewohnter Manier weitergehen wird, zeigte sich beim deutsch-französischen Abend am Samstag. Giscard d'Estaing schenkte der Stadt ein Banner mit dem Wappen von Chamalières. Müller warf es sich und Giscard d'Estaing um die Schultern und schüttelte seinem Amtskollegen die Hand. Damit dürfte feststehen: Müller will die Partnerschaft so engagiert weiterführen wie seine Vorgängerin Irmer. Nervös wirkte er unter der Fahne jedenfalls kaum noch.

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