Geretsried will moderner werden:Stadt des Wiederaufbaus

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Rund um das Stadtmuseum und das Rathaus sollen sich in Geretsried künftig alle wichtigen Kulturstätten gruppieren. In einem Wettbewerb werden Architekten um Gestaltungsideen gebeten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Rund ums Rathaus soll eine Kulturmeile mit Bücherei, Archiv, VHS, Museum und Veranstaltungssaal entstehen. Die Stadt schreibt im kommenden Jahr einen Ideenwettbewerb dafür aus.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Stadt Geretsried will ihr Zentrum rund ums Rathaus nicht nur mit Geschäften entwickeln, sondern auch mit Kultur. Der Stadtrat hat sich dazu bei zwei Klausuren, im Frühjahr und vor einer Woche, Gedanken gemacht. Im ersten Quartal 2018 solle ein Ideenwettbewerb für den Umgriff des Rathauses ausgeschrieben werden, sagt Bürgermeister Michael Müller (CSU). Das ist in etwa das Areal zwischen dem Karl-Lederer-Platz, dem Stadtmuseum an der Graslitzer Straße und der Böhmwiese. Frühestens in fünf, spätestens in 15 Jahren könnte nach Müllers Überzeugung die "Rathaus- und Kulturmeile" fertig sein: mit einem erweiterten Stadtmuseum, einer Galerie für zeitgenössische Kunst, jeweils eigenen Räumen für Stadtarchiv, Volkshochschule (VHS) und Stadtbücherei, einem Veranstaltungssaal und einem Restaurant. Auch das Rathaus selbst soll mehr Raum bekommen.

Müller sagt, die Verlegung der Bundesstraße müsse schneller vorankommen

Voraussetzung für diese Entwicklung ist die Verlegung der Bundesstraße 11. Die derzeit am westlichen Stadtrand verlaufende B 11 soll, so ist es seit langem in der Stadtpolitik geplant, im Bereich vor dem Rathaus weiter in Richtung Westen, zum Schwaigwaller Bach hin, verlegt werden. Das Vorhaben ist in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen, Müller hat aber nach eigener Aussage Anzeichen dafür, dass es mit der Umsetzung nicht so schnell gehen könne wie gewünscht. Er wolle hier in nächster Zeit einige Gespräche mit staatlichen Stellen führen, sagt er. Sein Plan: In fünf bis sieben Jahren soll die B 11 verlegt sein, so dass sich rund ums Rathaus ganz neue Plätze und Möglichkeiten auftun. Mit der S-Bahn hat dies noch nichts zu tun, denn der Anschluss Geretsrieds an die S 7 und ein S-Bahnhof auf der Böhmwiese werden frühestens 2028 erwartet.

Auf Müllers Initiative hin wird bereits der Karl-Lederer-Platz gravierend umgestaltet. Der Bürgermeister hatte angeregt, den Platz mit dem Flair der Fünfziger- und Sechzigerjahre zu einem belebteren, attraktiveren, urbanen Stadtzentrum auszubauen. Zwei Investoren machen mit der Stadt und dem Architekten Klaus Kehrbaum den Anfang: Das Wolfratshauser Bauunternehmen Krämmel und die von den Geretsrieder Architekten Adamek und Hölzl gegründete Gesellschaft Projekt KLP bauen siebenstöckige Wohn- und Geschäftshäuser sowie eine große Tiefgarage unter dem Platz mit 400 Stellplätzen.

"Kultur gehört zur Marke Geretsried", hatte der Bürgermeister schon 2015 erklärt

Aber Handel sei nicht alles, um eine Stadt voranzubringen, sagt Müller. Er hat schon bald nach seinem Amtsantritt im Jahr 2014 das Wort "Kulturmeile" in die Stadtpolitik eingebracht. "Kultur gehört zur Marke Geretsried", erklärte er im SZ-Gespräch 2015. Zunächst war nur von einem Pfad mit Skulpturen die Rede, der sich vom Stadtmuseum über den Karl-Lederer-Platz bis zur Petruskirche ziehen könne. Inzwischen steht mehr auf dem Wunschzettel.

Das Stadtmuseum, so Müller, müsse ohnedies erweitert werden, da es inhaltlich derzeit nur bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und der Ankunft der Vertriebenen reicht. Die Stadtgeschichte seitdem, der Aufbau Geretsrieds, fehle. Das Rathaus brauche auf jeden Fall mehr Raum. Die VHS sei beengt in der Stadtbücherei an der Adalbert-Stifter-Straße untergebracht. Und dass das Stadtarchiv längst eigene Räume haben müsste, klang vor wenigen Tagen erst wieder im Kulturausschuss des Stadtrats an. Dort erklärte der Sprecher des Arbeitskreises Historisches Geretsried, ein Schreibtisch im Kulturamt genüge nicht; andere Städte wie Wolfratshausen hätten ihren Archiven längst angemessenen Raum verschafft. Außerdem brauche es weiterhin Gastronomie, sagt Müller, ob es bei den Ratsstuben bleibe oder etwas Neues entstehen soll, sei offen.

Es gehe bei den Neuerungen aber keineswegs nur um Funktionalität, sagt der Bürgermeister. "Es soll etwas Identitätsstiftendes sein." Geretsried sei weder eine alte römische Stadt noch eine Hafenstadt, die als solche erkennbar wären. Die Stadt sei geprägt von Flucht und Vertreibung, habe keine historischen Altbauten: "Geretsried ist ein typisches Kind des Wiederaufbaus nach dem Krieg." Es sei eine moderne, offene Stadt im Grünen. In der Formensprache einer Stadtentwicklung rund ums Rathaus müsse sich dies ausdrücken. Wie - das sollen die Architekten überlegen, die zum Ideenwettbewerb eingeladen werden. Er könne sich etwa als Zeichen der Offenheit Glas vorstellen, sagt Müller. Aber vorgegeben werde im Wettbewerb lediglich das Raumprogramm, nicht die Gestaltung.

Sicher sei, dass die Stadt mit Blick auf diese neuerlichen Veränderungen andere Formen des Kontakts und Austausches mit Bürgern suchen müsse. Die bisher praktizierten Bürgerbeteiligungen wie Workshops seien nicht ausreichend. Die Stadt arbeite gerade an einem Konzept, wie sie bestimmte gesellschaftliche Gruppen - Vereine, Organisationen, Initiativen -, aber auch gezielt und zufällig ausgewählte Einzelpersonen ansprechen könne. "Wir können nicht immer nur mit Stimmenmehrheit etwas durchwinken", sagt Müller über die Arbeit des Stadtrats.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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