Geretsried:Nach "Niklas" droht der Borkenkäfer

Die vom Orkan betroffenen Wälder müssen so schnell wie möglich aufgeräumt werden, um die Gefahr des Insektenbefalls abzuwenden. Förster Robert Nörr hofft jetzt auf einen feuchten Sommer

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Nach den Schäden, die Orkan Niklas in den Wäldern hinterlassen hat, droht nun eine Borkenkäfer-Katastrophe. Nur zügige Aufräumarbeiten und ein nasser Sommer könnten dies verhindern, sagt der Wolfratshauser Revierförster Robert Nörr. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zählt Nörr zufolge zu den Schadenszentren. Trotzdem hätte es aus seiner Sicht schlimmer kommen können, hätte Niklas noch länger gewütet. Viel aufforsten müsse man nicht, sagt Nörr, das meiste erledige die Naturverjüngung.

Wie in Wolfratshausen dauern auch in Geretsried die Aufräumarbeiten an. Inken Domany, Leiterin des Geretsrieder Umweltamts, ist gerade dabei, Bilanz zu ziehen. Das werde zwar noch eine Weile dauern, sagt sie, doch schon jetzt stelle sie fest, dass sich zumindest die schweren Schäden in Grenzen hielten. Es gebe weder Personen- noch Sachschaden. Am Dienstagvormittag habe sie sich zusammen mit Mitarbeitern des Bauhofs den Waldbereich am Gut Buchberg angesehen. Dort wie auch im Geretsrieder Stadtwald überwiegen nach ihrem Eindruck die Einzelschäden, Schneisen habe der Orkan nicht geschlagen. Die Schneise, die am Waldhang der nördlichen Ortseinfahrt zu sehen ist, zähle nicht zu der rund 150 Hektar großen Forstbetriebsfläche der Stadt, der Wald gehöre der Erzdiözese Freising.

Sturmschäden Orkantief Niklas

Geborstene Stämme: Das Orkantief Niklas hat an vielen Stellen des Landkreises Verwüstungen hinterlassen, auf unserem Foto nahe der Staatsstraße 2369.

(Foto: Manfred Neubauer)

Einzelschäden gab es an der Friedhofskreuzung, wo der Sturm zwei Fichten entwurzelte. Gerade Fichten fielen Niklas zum Opfer, weil sie flach wurzeln und wesentlich schneller kippen als etwa die Pfahlwurzeln bildende Tanne. Dass es hätte schlimmer kommen können, sagt auch Domany: Denn gerade an Stellen wie der Friedhofskreuzung würden Bäume häufig kontrolliert, potenziell von Sturmschäden bedrohte Bäume seien schon präventiv aussortiert worden. Der Bauhof habe die Radwege bereits freigeräumt, inzwischen seien keine Wege mehr gesperrt. Trotzdem rät Domany zur Vorsicht. Der tut auch Nörr: Viele Bäume seien "angeschoben", stünden also seit dem Sturm in einer gefährlichen Schieflage. Auch zahlreiche Buchen habe der Orkan Niklas umgeworfen.

Der Bergwald sei gut davongekommen: Weil im Rahmen der Waldpflege schon vorher alle instabilen Bäume aussortiert worden seien, habe er nur einen größeren umgestürzten Baum festgestellt, dazu einige abgesprengte Äste. Dasselbe gelte für den Wald im Isarbereich. Schlimmer sehe es in Icking und Egling aus. Wie viele Bäume in seinem Revier umgeweht wurden, kann Nörr nicht exakt beziffern, eine Hochrechnung macht das Ausmaß des Schadens jedoch deutlich: Er betreue 1000 Waldbesitzer in Wolfratshausen, Icking und Egling, das seien rund 4000 Hektar Wald - "und alle 30 bis 50 Meter liegt ein Baum". Von älteren Waldbesitzern habe er gehört, dass die Windböen teilweise stärker gewesen seien als bei Vivian und Wiebke vor 25 Jahren - Niklas habe lediglich kürzer gewütet. Die in den Wäldern entstandenen Lücken würden vor allem durch eine Naturverjüngung, also natürlich nachwachsende Bäume, wieder geschlossen werden. "Das wird der perfekte Mischwald", sagt Nörr.

Geretsried: Ein typisches Schadensbild: die Kanäle, die der gefräßige Borkenkäfer im befallenen Holz hinterlässt.

Ein typisches Schadensbild: die Kanäle, die der gefräßige Borkenkäfer im befallenen Holz hinterlässt.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die eigentliche Katastrophe aber könnte dem Landkreis erst noch bevorstehen. Das Forstamt zog am Wochenende eine vorläufige Sturm-Bilanz: 100 000 Bäume seien demnach umgestürzt - ideale Voraussetzungen für den Borkenkäfer. Dessen Flug beginnt Ende April, danach dauere es noch etwa vier Wochen, bis die Larven schlüpfen, sagt Nörr. Ist es einem Borkenkäfer gelungen, sich in einen Baum zu bohren, entsendet er Duftstoffe, um seine Artgenossen zu informieren, die sogleich den Baum besiedeln. Bis Ende Mai könnten so bis zu 10 000 Käfer in einem Baum schlüpfen, die sich dann sofort aufmachen, um einen neuen Nistgrund zu finden. Den könnten sie auch in gesunden Bäumen finden. Zwar wehren sich die Fichten normalerweise selbst, indem sie die gebohrten Löcher sofort mit Harz verstopfen und den Eindringling töten. Da das Frühjahr bislang sehr trocken war, bestehe die Gefahr, dass auch der Sommer trocken wird. Ist es im Wald aber zu trocken, produzieren die Bäume zu wenig Harz. Deshalb gelte es jetzt, die Wälder so schnell wie möglich aufzuräumen. "Da müssen jetzt alle intensiv an einem Strang ziehen", sagt Nörr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: