Geretsried:Militärischer Gegenwind

Die Bundeswehr könnte den Bau von großen Rotoranlagen im nördlichen Landkreis verhindern. Sie fürchtet, dass die Windräder ihren tieffliegenden Jets im Weg stehen.

Birgit Lotze

Im Luftraum wird es eng - so eng, dass im Landkreis eventuell kaum freie Plätze für Windkrafträder zur Verfügung stehen. Militärflieger könnten die Landkreisgemeinden, die möglichst rasch die Energiewende herbeiführen möchten, ausbremsen. Fast der gesamte nördliche Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen liegt in einer Tiefflugzone der Bundeswehr für nächtliche Trainings.

Dort sind Jets und auch Transportflugzeuge mit Propeller nach Sonnenuntergang bis Mitternacht in diesem Korridor unterwegs. Im Gegensatz zu Tiefflügen am Tag, die weder an Strecken noch an Zonenregelungen gebunden sind, gibt es für Nachttiefflüge ein speziell dafür festgelegtes Routennetz.

Das "night-low-flying-system", so heißt es in der Nato-Sprache, ist fünf nautische Meilen breit - gute neun Kilometer. Da beidseitig des Korridors für die Militärmaschinen ein Sicherheitsabstand von zweieinhalb nautischen Meilen gewährleistet sein muss, erstreckt sich die Sperrzone über 18,5 Kilometer.

Bis auf 330 Meter dürfen die Flugzeuge laut Auskunft der Luftwaffe über den Boden rauschen. Darunter bleibt dann kaum noch Platz für Windräder, die im windgeschützten Alpenvorland in mehr als 150 Metern Höhe Energie produzieren müssten.

Der von der Bundeswehr beanspruchte Luftraum zieht sich vom Westen über den Starnberger See - nur der nördliche Zipfel von Berg bis Starnberg ist verschont - in Richtung Osten. Wolfratshausen, Geretsried und Egling liegen inmitten des Korridors, Schäftlarn und Königsdorf begrenzen die Sicherheitszone im Norden und Süden. Dietramszell wird durch die militärisch beanspruchte Zone halbiert, ebenso Holzkirchen. Von dort erstreckt sich der Korridor über den Hofoldinger Forst weiter nach Osten.

Bei der Bürgermeisterdienstbesprechung am Montag zu den Themen Klimaschutz und Energiewende könnte das Thema zur Sprache kommen. Die Geretsrieder Bürgermeisterin Cornelia Irmer, auf deren Drängen das Treffen angesetzt wurde, meint, für eine Konkretisierung sei die Zeit noch nicht reif. "Wir stehen am Anfang." Zunächst müsse geklärt werden, inwieweit und wo der Landkreis überhaupt Windkraft zur Energieproduktion nutzen könne. Falls das Thema relevant werde, müssten Landkreis und Gemeinden gegen mächtige Behörden antreten. "Verlegen kann die Trasse wohl nur das Bundesverteidigungsministerium in Abstimmung mit der Nato."

Die Kommunen im Oberland stehen mit diesem Problem nicht allein, sie teilen es mit anderen Städten und Gemeinden in ganz Deutschland. Denn die Flugschneisen ziehen sich durch die gesamte Bundesrepublik. Auf mehr als einem Drittel der Fläche Bayerns dürfen aus Gründen der Luftsicherheit vorerst keine Windkraftanlagen angelegt werden. Auch die Bundeswehr hat erkannt, dass ihnen wegen der Korridore unzählige Anfragen drohen - vor allem nach dem Ausstieg aus der Atomenergie. Im Luftwaffenamt in Köln wurde eigens eine Arbeitsgruppe Windkraft eingerichtet, die Kommunen und Regionalplanungsverbänden Auskunft gibt. "Wir wollen die Zusammenarbeit fördern", sagt

Oberfeldwebel Joachim Unger. Er rechnet damit, dass die Anfragen aus Bayern stark zunehmen. Der vorgeschriebene Sicherheitspuffer unterhalb des Tiefflugkorridors wirke sich in höheren Lagen manchmal "extrem" aus, sagt Unger. Nach den Berechnungen der Arbeitsgruppe kann beispielsweise Geretsried bis auf eine Höhe von 731 Meter bauen - von Meeresspiegelhöhe an. Für Gemeinden, die wie Geretsried auf 600 Meter Höhe liegen, seien Windkraftprojekte nach dem Stand der Dinge schwer realisierbar, sagt Unger.

Auch die Bayerische Staatsregierung hat erkannt, dass die Flugkorridore Bemühungen, aus Windkraft Energie zu gewinnen, torpedieren könnten. Sie hat Ende Mai im Bayerischen Energiekonzept angekündigt, sich um eine bessere Verträglichkeit von Flugverbotszonen und Windkraftanlagen bemühen zu wollen. Ihr Ziel: Bis 2021 soll die heimische Windenergie mindestens sechs bis zehn Prozent des Stromverbrauchs in Bayern decken. Derzeit beträgt der Anteil 0,6 Prozent. Deshalb wolle sie beim Bund darauf hinwirken, dass dieser die notwendigen Voraussetzungen für "eine bessere Verträglichkeit von Flugverbotszonen" und Windenergie schaffe, heißt es dort.

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