Geretsried:Mann ersticht seine behinderte Frau

Der 58-Jährige stellt sich am Dienstagmorgen der Polizei mit einem Geständnis. Als Hintergrund der Tat wird die psychische Überforderung durch die Pflegesituation vermutet.

Von Wolfgang Schäl

Ein Ehedrama hat sich am Dienstag in den frühen Morgenstunden in der Geretsrieder Alpenstraße abgespielt. Nach dem Stand der Ermittlungen hat dort, im ersten Stock eines Hauses, ein 58-Jähriger seine gleichaltrige Frau durch mehrere Messerstiche in den Oberkörper getötet. Gegen 7 Uhr rief der Mann bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd an und informierte die Beamten über die Tat, die er soeben begangen habe.

Als die ersten Streifenbeamten der Geretsrieder Polizei eintrafen, fanden sie die 58-jährige Frau tot vor. Der sofort verständigte Notarzt konnte ihr nicht mehr helfen, der mutmaßliche Täter ließ sich widerstandslos festnehmen und soll an diesem Mittwoch dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Die Ermittlungen wegen Mordes hat in Absprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft das Fachkommissariat für Tötungsdelikte der Kripo Weilheim übernommen. Die Obduktion wurde noch am Dienstag am Münchner Institut für Rechtsmedizin vorgenommen, das Ergebnis teilte die Polizei am späten Nachmittag mit. Aus ermittlungstechnischen Gründen machte sie bis zum späten Nachmittag noch keine Angaben über die Tatortsituation und über die näheren Personalien des Mannes. Zu den Angaben, die man machen könne, zähle allenfalls, dass die Frau nicht in ihrem Bett getötet wurde. Was die Motivation betrifft, gibt es zumindest konkrete Anhaltspunkte. Die Polizei schließt vor dem Hintergrund der ersten Erkenntnisse auf eine psychische Überforderung des Ehepaars, die durch die "Gesamtlebenssituation" entstanden sein könnte. Denn die Frau hatte vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitten und war seither ein Pflegefall - im täglichen Leben war sie auf den Rollstuhl angewiesen. Die Situation könnte den Mann auf lange Sicht hin überfordert haben.

Die Wohnung des Ehepaars in der Geretsrieder Alpenstraße liegt in einer ruhigen Wohngegend in einem Block mit zwölf Parteien, überwiegend Eigentumswohnungen. Die Atmosphäre in dem Neubau wirkt gepflegt bis steril, viele Jalousien waren am sommerlich heißen Dienstag heruntergelassen. Vor den Fenstern Blumenkästen, zwei Großraumtonnen, die zum Entleeren bereitgestellt sind. Lediglich die beiden Siegel an der Wohnungstür wiesen auf das schlimme Geschehen hin.

Dass die Frau behindert war, bestätigt eine Nachbarin, die aber auch selbst nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dass bei dem Ehepaar etwas nicht in Ordnung gewesen sein könnte. Die Frau sei zwar auf den Rollstuhl angewiesen gewesen, habe aber immer vergnügt und gelöst gewirkt, sie sei eigentlich "ausgesprochen süß" gewesen. Besondere Unterhaltungen habe sie mit ihr zwar nicht geführt, so sei das halt in modernen Wohnanlagen, aber man sei sich immer wieder mal im Treppenhaus begegnet - die 58-Jährige sei immer mit dem Aufzug hinuntergefahren, um die Post aus dem Briefkasten zu holen. Denn die Arme habe die Frau noch bewegen können. "Ich habe sie immer bewundert, wie freundlich und positiv sie war", sagt die Nachbarin, die auch nichts Negatives über den Mann des Opfers sagen mochte. Freilich sei er immer sehr beschäftigt gewesen, habe viel gearbeitet. "Er hat sich sehr um sie gekümmert, er hat eingekauft, hat sie spazieren gefahren, sie ins Auto rein und wieder heraus gehoben, und ich habe mir immer wieder gedacht: Oh Gott, oh Gott, wie er das alles nur schafft. "

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