Geretsried:"Man integriert sich, wo man willkommen ist"

Wie gelingt Integration? Darüber diskutieren in den Geretsrieder Ratsstuben unter anderem der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel und der Landtagsabgeordnete Florian Streibl - Landrat Josef Niedermaier meldet sich aus dem Publikum zu Wort.

Von Pia Ratzesberger, Geretsried

Es wird nicht leicht werden, das will der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel (SPD) gleich zu Beginn klarstellen. Ja, die Integration der Flüchtlinge werde Geld kosten. Ja, sie werde Kraft kosten. Und ja, sie werde Nerven kosten. Doch letztendlich werde Deutschland von den Geflohenen profitieren, sagt Barthel. Niemand widerspricht. Wenn man an diesem Donnerstagabend den Diskutanten auf dem Podium in den Geretsrieder Ratsstuben zuhört, könnte man meinen, dass sich die Vertreter der verschiedenen Parteien in den großen Fragen der Flüchtlingspolitik doch einig sind - vielleicht nicht auf Bundes- und Landesebene, aber zumindest an diesem Abend in Geretsried.

Neben Barthel ist der Landtagsabgeordnete Florian Streibl (Freie Wähler) gekommen, der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU), die Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) und die Integrationsreferentin Sonja Frank (Freie Wähler). Sie alle diskutieren mit David Costanzo von der Süddeutschen Zeitung, wie Integration gelingen kann. Und sie alle beklagen die fehlenden Wohnungen.

Schon bevor so viele neue Flüchtlinge angekommen waren, sei das ein Problem gewesen, sagt Bürgermeister Müller. "Dass man die Leute in irgendwelche Stockbetten steckt, kann nicht funktionieren. Genauso wie Container - so wohnen wir ja auch nicht." Obwohl er auf dem Lorenzareal 600 neue Wohnungen plant, wird das nicht reichen. Wenn erst die S-Bahn bis nach Geretsried fahren wird, geht Müller davon aus, dass die Stadt jährlich um eineinhalb bis zwei Prozent wachsen werde, dann müsse dichter und höher gebaut werden. "Die Vorstellung, dass jeder sein Häuschen im Grünen hat, wird in Zukunft nicht mehr der Realität entsprechen." Landtagsabgeordneter Streibl (FW) schlägt vor, auch alte Bundeswehrkasernen als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen. Die Pullacher Bürgermeisterin bemängelt, dass die Kommunen den Bau von bezahlbaren Wohnungen oftmals verhinderten. Im Gemeinderat sei sie erst kürzlich mit einem entsprechenden Vorhaben gescheitert, dabei sei es für Kommunen wegen der vielen Fördermittel noch nie so leicht gewesen, zu bauen wie heute. Die Mittel müsse man aber auch nutzen, sagt Barthel: "Da können wir vom Bund noch so viel Geld auf den Tisch legen, wenn die Kommunen nicht wollen."

Doch nicht nur Wohnungen müssten gebaut werden, die Flüchtlinge müssten auch schneller in Arbeit kommen, sagt Streibl. Etwa zehn Prozent der Geflohenen seien Akademiker, weitere zehn Prozent hätten eine Ausbildung, die deutschen Standards entspreche. 80 Prozent der Leute aber müssten geschult werden. Prognosen der bayerischen Arbeitsagentur zufolge könne es bis zu 15 Jahre dauern, bis 75 Prozent der Flüchtlinge regulär arbeiten, so Streibl. Er plädiert für schnellere Asylverfahren - denn nur dann klappe es auch mit dem Job.

Landrat Josef Niedermaier fragt aus dem Publikum, wieso denn nicht nur die Flüchtlinge in die Landkreise verteilt würden, die anerkannt und damit bleiben werden? Das würde vieles erleichtern, "auch wenn ich jetzt nicht von Abschiebelagern sprechen will". Barthel aber schüttelt den Kopf. Die Einzelfallprüfung auf Asyl sei ein unantastbares Menschenrecht. Man sehe es den Flüchtlingen "an der Grenze nun einmal nicht an, ob sie Asyl bekommen oder nicht. Die Zeit müssen wir uns nehmen."

Wie Kommunen gemeinsame Freizeitaktivitäten fördern könnten, fragt David Costanzo, auch das gehöre schließlich zur Integration. Bürgermeisterin Tausendfreund erzählt von Sommerfesten auf dem Schulhof, Fastenbrechen in der Nachbarschaft. Müller schiebt nach, dass das Zusammenbringen der Leute vor Ort die große Stärke der Kommune sei. "Das kann weder der Bund leisten noch das Landratsamt." Natürlich gebe es immer einen aktiven Teil der Bürgerschaft, der sich engagiere, und daneben eine schweigende Mehrheit. Wichtig aber sei, sagt Integrationsreferentin Frank, dass man laut werde, sobald rechte Stimmen zu viel Einfluss gewännen. Die Willkommenskultur sei in letzter Zeit ja etwas in Verruf geraten, fügt Streibl an. Dabei sei sie doch so wichtig: "Man integriert sich dort, wo man willkommen ist", das sei doch klar.

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