Geltinger Kulturbühne:Heiliger Unernst

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Die Karikaturen ließen jeglichen Fundamentalismus mit Abstand betrachten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Geltinger Kulturbühne "Hinterhalt" zeigt als Reverenz an "Charlie Hebdo" eine Ausstellung religionskritischer Karikaturen.

Von Claudia Koestler, Geretsried

Humor und Lachen gelten nicht erst seit den Anschlägen auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" als offenbar nicht kompatibel mit Religiosität. In vielen Gemeinschaften hat Glauben den Status des Absoluten, der mit heiligem Ernst betrieben werden soll. Inklusive einem Kanon von Vorschriften, der alles reglementiert, auch über das eigene Leben hinaus. Humor aber scheint in den meisten dieser Entwürfe keinen Platz zu haben.

Gegen Auswüchse, die solch heiliger Ernst mit sich bringen kann (wie etwa die Anschläge von Paris), setzen die Betreiber der Geltinger Kulturbühne "Hinterhalt" ein Zeichen: Ihre Ausstellung "Der freche Mario" zeigt, dass man sich Religion an sich und ihren Auswüchsen im Besonderen auch lachend nähern kann. Und das gerade jetzt, da Karikaturisten Opfer einer Todes-Fatwa wurden. "Der freche Mario" zeigt Karikaturen aus Einsendungen zum gleichnamigen Kunstpreis, der Werke prämiert, die dogmatische Systeme auf die Schippe nehmen. Denn sich und andere nicht zu ernst zu nehmen, das ist Grundlage für Toleranz, die ja gerade in der aktuellen Debatte von allen Seiten gefordert wird.

Die Ausstellung im "Hinterhalt" präsentiert ein breites Spektrum: Werke, die sich ganz grundsätzlich mit Religion, überwiegend der christlichen, spöttisch oder kritisch auseinandersetzen. Da stehen vor einer Haustür zwei Missionare, die den Hausherrn ansprechen: "Wir würden gerne mit Ihnen über Gott reden." Und dieser erwidert: "Könn' Sie nicht erst mal mit Gott über mich reden?" In einer anderen Zeichnung rennt ein Koch mit Suppenschüssel durch die Kirche und fragt: "Hat jemand den Schöpfer gesehen?" Oder eine Karikatur, in der ein Mann vor dem Kruzifix sinniert: "Wenn man dich nicht gekreuzigt, sondern ertränkt hätte, stünde heute in jedem bayerischen Klassenzimmer ein Aquarium."

Einzig schade, dass kein Schwerpunkt gesetzt wurde mit Karikaturen, die sich explizit mit den derzeitigen, aktuellen Geschehnissen auseinandersetzten. So blieb der Eindruck etwas zu allgemein, trotz eines kleinen Altars mit Blumen und Stiften vor den Fotos der ermordeten Pariser Karikaturisten.

Manche der gezeigten Karikaturen wirkten recht gut abgehangen, manche willkürlich, gar platt, andere wiederum zeitlos witzig. Und es gab auch Werke, die mancher als provokant oder grenzwertig betrachten könnte: Etwa, wenn eine Nonne Jesus den Penis absägt, ein Priester mit Jesus am Kreuz oral verkehrt oder ein Glas süßer Senf als "Heiliger Stuhl" deklariert wird. Solche Darstellungen sind allerdings nur eine Frage der persönlichen Grenze dafür, was humorvoll ist. Gerade die provokanteren Werke ließen Betrachter zu dem Schluss kommen, dass nichts, auch nicht Kritik oder Verletzung der Gefühle eines rechtfertigen darf: Brutalität gegenüber Andersdenkenden (bis hin zu bestialischen Morden), Imperialismus, Unterdrückung oder grundsätzlich Herrschaft der Religion über die Politik. Toleranz, verstanden als Distanzierung vom "heiligen Ernst", und Humor als Relativierung der eigenen Ansichten - dies sind Mittel gegen Fanatismus. Und sich selbst und den eigenen Lebensstil immer wieder einer humorvollen Prüfung zu unterziehen, egal wie schmerzhaft das Ergebnis sein mag, ist das vielleicht einzig probate Mittel, eine Gesellschaft in Balance zu halten. Eine Gesellschaft, in der sowohl die Ablehnung jeglicher Religion sein darf als auch das Festhalten an religiösen Traditionen. Und natürlich alles dazwischen, solange es jeder für sich entscheiden darf. Fehlt hier Humor, zieht stattdessen nur Unmenschlichkeit ein.

© SZ vom 20.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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