Geretsried:Große Hürde für die Kleinkunst

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Wer im Geltinger "Hinterhalt" auftreten will, muss 200 Euro Kaution zahlen, damit Wirtin Assunta Tammelleo nicht auf ihren Kosten sitzen bleibt.

Stephanie Schwaderer

Jeder Künstler ist willkommen - "wenn er 50 Gäste mitbringt", sagt Hinterhalt-Wirtin Assunta Tammelleo. "Je mehr Kleinkunstbühnen sterben, desto mehr Leute wollen zu uns." (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Geltinger Kulturbühne "Hinterhalt" gilt gemeinhin als engagiert betriebenes Kleinkunstzentrum, das auch jungen Talenten ein Podium bietet. Eine Musikerin traute daher ihren Augen nicht, als sie erfuhr, unter welchen Bedingungen sie dort auftreten dürfe: 200 Euro "Kaution" für den Fall, dass die Veranstalter über die Eintrittsgelder nicht mindestens diese Summe einnähmen. Dazu 120 Euro für einen Techniker. "Das habe ich noch nie erlebt", sagt sie. "Für Kleinkunst ist diese Hürde viel zu hoch."

Auf der Homepage (www.hinterhalt.de) sind die "Informationen für Künstler" detailliert aufgelistet. "Für die Bühne wünschen wir uns ein buntes Programm mit vielen aktiven Künstlern aller Sparten und Genres, die mit uns gemeinsam für gelungene Veranstaltungen sorgen", schreiben Wolf Steinberger und Assunta Tammelleo. Verdienen wollten sie dabei nichts, "allerdings auch nicht zur ehrenamtlichen Arbeit noch Geld mitbringen". Der Betrieb der Bühne koste am Abend drei Euro pro Quadratmeter - für Nebenkosten, Buchhaltung, Reinigung, Werbung oder den Ersatz von defekten Geräten. "Diese Kosten müssen wir wenigstens reinbringen. Schließlich ist unsere Absicht, die Kulturbühne in eine Kulturstiftung einzubringen."

Konkret wird den Künstlern, wie in der Branche üblich, ein "Door Deal" angeboten: 70 Prozent der Einnahmen für den Künstler, 30 für die Veranstalter - mit einer Einschränkung: Die Mindesteinnahmen für die Gastgeber müssen 200 Euro betragen: "Ausgezahlt werden Eintrittsgelder erst ab dieser Grenze." Bestehe die Gefahr, dass diese Summe nicht erreicht werde, müsse im Voraus eine "Kaution" hinterlegt werden.

Auch langjährige Freunde der Bühne, die man mit diesen Informationen konfrontiert, reagieren verblüfft: "Das ist ja abstrus", sagt Michael Well von der einstigen Biermösl Blosn. Als Künstler miete man schließlich nicht die Wirtschaft, sondern werde veranstaltet. "Ich hab noch nie eine solche Kaution bezahlt und würde es auch nicht tun", sagt er, "und der Gerhard Polt sicher auch nicht." Seine Befürchtung: "Dass es die unbekannten Künstler trifft - eine schlechte Entwicklung."

Assunta Tammelleo rechtfertigt die Pauschale mit wirtschaftlichen Zwängen. Die meisten Künstler, Profis wie Amateure, seien sich nicht im Klaren, dass sie eine teure Bühne in Anspruch nehmen wollten, "ohne selbst irgendein Risiko einzugehen". Mit 200 Euro sei immerhin ein Teil ihrer Fixkosten abgedeckt.

Zugleich setzt sie auf einen gewissen Abschreckungseffekt: "Ich bekomme im Monat 150 bis 180 Anfragen, die muss ich alle beantworten", klagt die Wirtin. "Je mehr Kleinkunstbühnen sterben, desto mehr Leute wollen zu uns." Prinzipiell sei jeder Künstler im "Hinterhalt" willkommen, "wenn er 50 Gäste mitbringt". Dann erübrige sich auch die Kaution. Von Publikumsmagneten wie Claudia Koreck, die kommende Woche in Gelting spielen wird, werde eine solche "natürlich ohnehin nicht" erhoben.

Auch in anderen Fällen verzichtet Tammelleo auf die Pauschale: "Manche Leute habe ich gerne fürs Renommee, da prüfe ich den Einzelfall." Vergangenen Sonntag etwa habe das Trio Balkandina vor 40 Gästen gespielt: "Ein super Abend, der sicherlich positive Resonanz haben wird. Da haben wir es bei der üblichen Aufteilung der Einnahmen belassen." Grundsätzlich, sagt sie, müsste sie auf die Kaution bestehen, "ich mach' es aber nicht immer".

Der Münsinger Musikverleger Christian Bühring-Uhle hat selbst eine Konzertreihe im "Hinterhalt" veranstaltet und nennt sich "einen Freund und Förderer" der Bühne. Die Kaution missfällt ihm jedoch: "Wenn es nicht der Hinterhalt wäre, würde ich auf die Barrikaden gehen", sagt er. Tatsächlich sähen sich Veranstalter gezwungen, neue Wege zu gehen. In den USA sei es mittlerweile gang und gäbe, dass Künstler die Hälfte der Eintrittskarten zu ihren Konzerten selbst kaufen und dann weitervertreiben müssten. Eine bedenkliche Entwicklung, findet der Verleger: "Am Schluss zahlt der Künstler noch drauf dafür, dass er Musik machen darf."

© SZ vom 06.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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