Geretsried:Fünfmal täglich gen Mekka

Muslime aus Wolfratshausen, Geretsried und Münsing haben eine Heimat gefunden. Das erste islamische Kulturzentrum im Norden des Landkreises wurde an der Geretsrieder Elbestraße eröffnet. Der Verein predigt Integration und erwartet im August einen neuen Vorbeter aus der Türkei.

Petra Schneider

Ein unauffälliges Schild verweist auf die neuen Mieter, die im Dezember in das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Krämmel eingezogen sind: Die türkisch-islamische Gemeinde hat in den Räumen an der Elbestraße ein Integrations- und Kulturzentrum eröffnet. Es ist das einzige dieser Art im Nordlandkreis. Die 120 Mitglieder des neu gegründeten Vereins kämen aus Geretsried, Wolfratshausen, Icking oder Münsing, sagt ihr Vorsitzender Osman Akkus.

Einen Ort, an dem Muslime ihre Religion ausüben können, hätten sie gesucht. Einen Treffpunkt zum Reden, Spielen und gemeinsam Essen. Auch Deutschkurse für Kinder und Musikunterricht sollen angeboten und islamische Grundkenntnisse vermittelt werden.

Wer das Gemeindezentrum betreten will, muss zuerst die Schuhe ausziehen- Reinlichkeit ist im Islam oberstes Gebot. Der Gebetsraum ist mit dicken, rot gemusterten Teppichen ausgelegt, an kleinen Gestellen hängen Gebetsketten. Die hölzerne Kanzel ist dem Imam aus Weilheim vorbehalten, der vorübergehend eingesprungen ist. Im August erwartet die Gemeinde einen Vorbeter aus der Türkei: "Staatlich geprüft, mit Uni-Diplom", sagt Akkus. Zwei Jahre wird er bleiben, und dass er deutsch spricht, davon geht Akkus aus. Der Imam hält das Freitagsgebet, das für Männer Pflicht, für Frauen freiwillig ist. Wer möchte, kann hier auch die fünfmal täglich vorgeschriebenen Gebete gen Mekka verrichten. Mekka- das liege genau in Richtung Elbestraße, sagt Akkus.

Frauen- und Männerbereiche sind streng getrennt und in unterschiedlichen Stockwerken untergebracht. Zwei Gebetsräume, zwei Küchen, im Aufenthaltsraum der Männer hängt ein großer Flachbildschirm für Fußballübertragungen - "türkische Liga und Bundesliga", sagt Akkus. Willkommen ist jeder, Muslime aller Nationalitäten, Deutsche, Frauen mit und ohne Kopftuch. "Wichtig ist doch nicht, was jemand auf dem Kopf hat, sondern im Kopf", sagt der 37-Jährige.

Seit 13 Jahren lebt Akkus in Deutschland, als einziger aus seiner Familie. Gekommen ist er wegen seiner Frau: Sie ist Türkin, aber hier geboren und aufgewachsen. Zwei Kinder haben die beiden, Akkus arbeitet als Techniker bei einer Firma in Wolfratshausen und spricht recht gut Deutsch. Bei vielen Türken gebe es sprachliche Defizite, die der Verein ausgleichen möchte. Denn die Sprache sei wichtig für die Integration, betont Akkus immer wieder.

In Eigenarbeit haben die Mitglieder das Gebäude renoviert, Miete und Unterhalt wird aus Mitgliederbeiträgen finanziert. Die Standortsuche sei schwierig gewesen, das Misstrauen groß. "Wenn die Leute das Wort Muslim hören, denken sie gleich an Terroristen." Vorurteile verengen den Blick, und das möchte Akkus unbedingt verhindern. Deshalb sollen die Leute mehr über den Verein erfahren und über die Menschen, die dahinter stehen. Auch deshalb hat sich die Gemeinde dem Dachverband DITIB angeschlossen, der eng mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammenarbeitet. Knapp 900 muslimische Gemeinden in Deutschland sind dort vernetzt. Die Predigten, die der Imam während des Freitagsgebets verliest, werden jede Woche von DITIB geschickt. Sie sind vom Türkischen Konsulat genehmigt und liegen in deutscher Übersetzung vor, damit die hiesigen Behörden die Inhalte überprüfen können. Seine Gemeinde wolle sich nicht verschließen, sondern intensiv mit der Stadt zusammenarbeiten, sagt Akkus. Schon bei der Standortsuche habe sich Bürgermeisterin Cornelia Irmer sehr für den Verein eingesetzt.

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