Geretsried:Einfach groovy

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Tassilo-Kandidat: Musiklehrer Enno Strauß

Von Sabine Näher, Geretsried

Wer die steile Treppe im Hinterhaus der Jeschkenstraße 12 empor gestiegen ist, wird von einem Mann im Glitzeroutfit empfangen. Elvis persönlich und in Lebensgröße, mit breitem Grinsen und im goldenen Smoking heißt die Besucher in den Unterrichtsräumen der Groove-Academy willkommen. Da fühlt man sich doch gleich als VIP, zumal die sonstigen Größen der Szene in prachtvollen Fotos von den Wänden lächeln: AC/DC, Michael Jackson, die Beatles, Charlie Parker, Duke Ellington, Miles Davis und BB King. Nichts könnte so schnell deutlich machen, dass man sich hier nicht in einer üblichen Musikschule befindet, wo gewöhnlich schlechte Drucke von Bach, Beethoven und Brahms in den Fluren hängen. Nein, hier lebt der Groove von Geretsried, hier wird abgerockt.

Der Gitarrenschüler, mit dem Hausherr Enno Strauß noch bei der Arbeit ist, befindet sich zwar noch eher im Stadium der sanften, zarten Töne, aber das wird schon. Wer sich in Strauß' erfahrene Hände begibt, hat schon die erste Sprosse der Erfolgsleiter erklommen. Seit 2010 unterrichtet der 1968 in Bad Homburg geborene Musiker hier in seiner eigenen Akademie, an der aktuell um die 70 Schüler eingeschrieben sind. Aus diesem Pool werden regelmäßig Bands gegründet. "Die versuchen wir zur Selbständigkeit zu erziehen, sodass sie weiter funktionieren, auch wenn wir nicht mehr coachen", erklärt Strauß, der seinerseits auf ein bewegtes Leben zurückblicken kann.

Bei Ariola lernte er Whitney Housten und die Backstreet Boys kennen

Sein Herz schlug seit jeher für Jazz, Rock und Pop; eine Karriere als Orchesterschlagzeuger lockte ihn nicht. "Doch damals konnte man nur in Köln Popularmusik studieren. Mittlerweile bieten zum Glück viele Musikhochschulen solche Studiengänge an", erzählt Strauß. Da es schier aussichtslos war, einen der heiß begehrten Studienplätze in Köln zu ergattern, bewarb er sich in Hamburg für den neu gegründeten Kontaktstudiengang Popularmusik und wurde im Jazz-Bereich aufgenommen. "Das hat mir damals unglaublichen Auftrieb gegeben", erinnert er sich. Und da er sich für alle Bereiche der Musikbranche interessierte, schloss Strauß eine kaufmännische Ausbildung bei Sony Music in Frankfurt an, wurde Sachbearbeiter beim Schott-Verlag in Mainz. Von da ging's zur Ariola nach München. Dort kam er in Kontakt mit internationalen Künstlern wie Whitney Houston oder den Backstreet Boys.

1999 wechselte er in ein Tonstudio und machte TV-Trailer und Filmvertonungen, aber auch Sound-Design. "Das war mal ganz spannend, in einem angrenzenden Bereich zur Musik zu arbeiten. Doch dann wollte ich einfach zurück zur Musik direkt", erzählt Strauß. Er nahm Gesangsunterricht bei einem Opernsänger, entwickelte ein Solo-Bühnenprogramm für Gitarre und Gesang und stieg bei mehreren Bands ein. Er begann wieder selbst zu unterrichten, stellte aber bald fest, dass ihn die organisatorischen Vorgaben einer städtischen Musikschule einschränkten. Denn er wollte unabhängig von strikten Lehrplänen einfach individueller auf den einzelnen Schüler eingehen können. Also gründete er seine eigene Schule, die Groove-Academy. Hier kann Strauß ganz nach seinen Vorstellungen Künstlerindividuen heranbilden, aus denen er dann Ensembles und Bands zusammen stellt.

Derzeit gibt es die Groovy-Kids, Teenitus, JB 2, eine Jazzcombo und ein Vokalensemble. Die Altersspanne der Beteiligten reicht dabei von gerade einmal zwölf bis über 70 Jahre. Einmal jährlich veranstaltet die Akademie ein öffentliches Konzert, in dem sich die besten Schüler präsentieren dürfen. Sie sollen unmittelbar erfahren, wie es sich anfühlt, auf einer professionellen Bühne zu stehen. Die anderen dürfen zuhören. "Sie sollen wissen, wofür sie üben", grinst der Meister. Und erzählt stolz, was ihm ein Schüler neulich anvertraut hat: "Das Konzert ist für mich der zweitwichtigste Termin im Jahr, direkt nach meinem Geburtstag!" Wenn das mal kein Kompliment ist, das groovt.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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