Geretsried:Durch die Geschichte verbunden

Geretsried: Sybille Krafft mit Robbi Waks bei der Eröffnung der Ausstellung "Wir Kinder vom Lager Föhrenwald".

Sybille Krafft mit Robbi Waks bei der Eröffnung der Ausstellung "Wir Kinder vom Lager Föhrenwald".

(Foto: Pöstges)

Die Stadt Geretsried und der Historische Arbeitskreis arbeiten mit dem Badehaus-Verein an der Dokumentationsstätte zum Lager Föhrenwald

Von Felicitas Amler, Geretsried

Bürgermeister Michael Müller (CSU) spricht von einer "natürlichen Ergänzung": Dass die Stadt Geretsried, ihr zeitgeschichtliches Museum und der Historische Arbeitskreis mit dem Verein Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald zusammenarbeiten, sei konsequent. Denn ohne die NS-Rüstungsbetriebe auf Geretsrieder Flur hätte es das Badehaus nicht gegeben, sagte Müller am Freitag bei einem Treffen der Beteiligten. Dieses Gebäude am heutigen Kolpingplatz in Waldram war Teil der von den Nazis errichteten Rüstungsarbeiter-Siedlung im Wolfratshauser Forst, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Lager Föhrenwald für jüdische Displaced Persons in die Geschichte einging.

Anlass für das Treffen beim Geretsrieder Bürgermeisters war die Übergabe eines Exponats für das geplante Dokumentations- und Begegnungszentrum Badehaus: des Poesiealbums eines Föhrenwald-Zeitzeugen. Robbi Waks hatte es im vorigen Herbst bei seinem Aufenthalt in Geretsried der Leiterin des Stadtmuseums, Anita Zwicknagl, übergeben. Er war zur Eröffnung der Ausstellung "Wir Kinder vom Lager Föhrenwald" aus Israel angereist. Sybille Krafft, Vorsitzende des Badehaus-Vereins, bedankte sich für das Zeitzeugnis mit seiner emotionalen Wirkung - und für die gute Zusammenarbeit. In der Badehaus-Planung sei man derzeit auf den 1,6 Millionen Euro teuren Umbau konzentriert, sagte sie. Inhaltlich werde es eine Dokumentationsstätte für die ganze Region. Schließlich habe seinerzeit die ganze Region mit Föhrenwald zu tun gehabt: Bauern hätten die Rüstungsarbeitersiedlung mit Waren beliefert, Arbeitskräfte am Bau mitgewirkt, und in der Zeit des DP-Lagers seien viele dort beschäftigt gewesen.

Auf die Verbindungen zwischen Geretsried und Föhrenwald stößt der Arbeitskreis Historisches Geretsried bei seinen aktuellen Forschungen immer wieder. Sprecher Martin Walter erklärte, das Lager Stein im Süden der heutigen Stadt sei von 1947 an eine Zweigstelle des Lagers Föhrenwald gewesen. 600 Menschen hätten dort gelebt; es habe einen eigenen Kindergarten gegeben, eine Behinderten- und Gehörlosenschule und den Fußballverein "Negev": "In Geretsried weiß das keiner", sagte Walter. Aber in Yad Vashem hänge ein Plakat eines Fußballspiels Föhrenwald gegen Geretsried. Erst kurz vor der Geretsrieder Gemeindegründung 1950 sei Stein geschlossen worden. Bis 1949 habe es Pläne gegeben, dass Föhrenwald zu Geretsried kommt. Aber Wolfratshausen habe es eingemeindet, weil es sonst keine Erweiterungsmöglichkeit gehabt hätte.

Walter überreichte Krafft die Beitrittserklärung seines Arbeitskreises zum Badehaus-Verein und sagte, man müsse gemeinsam an der Sache arbeiten. Der AK Historisches Geretsried veröffentlicht im Herbst ein neues Heft, das die NS-Rüstungsbetriebe zum Thema hat. Krafft erwiderte: "Diese Geschichte ist so groß, daran könnte ein universitäres Forschungsprojekt jahrelang arbeiten." Zehntausende Menschen, viele als Zwangsarbeiter, seien in den Rüstungsbetrieben beschäftigt gewesen oder hätten im DP-Lager gelebt. Dokumente dieser Geschichte fänden sich in der ganzen Welt - von Berlin über Washington bis Yad Vashem. Die Bedeutung sei noch nicht in allen Köpfen drin". Krafft ergänzt: "Wir bräuchten ein wissenschaftliches Forschungsprojekt." Anita Zwicknagl regte an, dass Geretsried und Wolfratshausen gemeinsam zweimal im Jahr Symposien zur Föhrenwald-Forschung veranstalten.

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