Geretsried:Die Stadt mit dem guten Klima

Geretsried: Der Meteorologe Helmut Bangert erklärt die Wetterstation an der Böhmwiese.

Der Meteorologe Helmut Bangert erklärt die Wetterstation an der Böhmwiese.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Rathaus lässt 15 Wetterstationen aufstellen, um beim Bauen künftig Wind und Temperaturen berücksichtigen zu können.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Stadt Geretsried will genauer wissen, woher der Wind weht: Sie lässt über ein Jahr hinweg das Stadtklima untersuchen. Damit soll als Anlage zum Flächennutzungsplan, der gerade überarbeitet wird, eine Stadtklimakarte erstellt werden, auf deren Grundlage künftig klimagerechtes Planen und Bauen möglich sind. Offizieller Auftakt war am Dienstag. Die Stadtverwaltung und Gutachter Helmut Bangert stellten das rund 40 000 Euro teure Projekt vor, das vom Freistaat zu 40 Prozent gefördert wird. An einer der übers Stadtgebiet verteilten 15 Messstationen erläuterte Bangert, wie Lufttemperatur- und Feuchtigkeit sowie Windrichtung und -geschwindigkeit festgestellt werden.

Eines der Ziele der Klimagutachter ist es, die Überwärmung der Stadt gering zu halten und viele grüne Oasen zu bewahren oder zu schaffen. Bangert sagte, alte Menschen müssten innerstädtisch auf relativ kurzen Wegen zum Beispiel von ihrer Wohnung in einen Park - dessen klimatische Funktion in Geretsried auch der Waldfriedhof hat - gelangen. Gleichzeitig müsse die Temperatur im Stadtgebiet so sein, dass Kindergärten mit den Kindern noch problemlos im Freien spielen könnten. Der Meteorologe erklärte, sein Büro habe zum Beispiel der Stadt Regensburg, für die es ebenfalls ein Stadtklimagutachten erstellt hat, geraten, Schneisen mit einer bestimmten Mindestbreite an der Donau von Bebauung frei zu halten.

Für das Stadtklima in Geretsried, so viel kann Bangert schon vorab sagen, spielten nicht nur die Wälder ringsum eine positive Rolle, sondern auch landwirtschaftliche Freiflächen; sie seien "nächtliche Kaltluftflächen par excellence". Den Klimagutachten interessiert tatsächlich vor allem, wie sie die Temperaturen nachts entwickeln: "Hitze heißt in erster Linie zu warme Nächte", sagte er. Verbesserungen ließen sich auf verschiedenen Wegen schaffen: Über Pflanzen, über die Firstrichtung von Gebäuden und über deren Abstände zueinander. Eine Stadt könne in Bebauungsplänen zum Beispiel vorgeben, dass Dächer begrünt werden oder dass pro Haus ein, zwei Bäume mit großen Kronen nötig sind.

Inken Domany, Leiterin des Geretsrieder Umweltamts, unterstützte dies: "Jeder Baum hat Einfluss", sagte sie, "er spendet Schatten, liefert Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit, und die Blätter haben eine Filterfunktion gegen Feinstaub." Auch bei Starkregen wirkten sich Bäume aus, da dichte Kronen die Wassermassen abbremsten. Domany findet es wichtig, dass ein Klimagutachten in den Flächennutzungsplan einbezogen wird. Sie sei gespannt, welche Daten herauskommen. Wichtig sei es, die Punkte zu erkennen, wo sich Temperaturunterschiede schon auswirken, und zu sehen, was man an diesen "Hotspots" tun könne. Der städtische Energieberater Stefan Mensch nennt das Stadtklimagutachten eine tolle Idee. Nicht zuletzt unter dem Aspekt des demografischen Wandels sei es wichtig, sich über "Aufenthaltsinseln" Gedanken zu machen, erklärt er. Geretsried habe dieses Thema auch schon im EU-Programm SEAP Alps behandelt, das sich mit dem Klimawandel befasst.

Bürgermeister Michael Müller (CSU) betonte, Geretsried sei eine Stadt im Grünen und wolle dies auch bleiben. "Die Wesensmerkmals sind Wald und Grün". Andreas Porer, im Stadtbauamt für das Klimagutachten zuständig, hob hervor, dass dieses in Geretsried ein Modellprojekt sei. Denn gewöhnlich gäben nur Großstädte wie München und Regensburg solche Untersuchungen in Auftrag. Fürs Bauen müsse aber neben der Bodenbeschaffenheit künftig auch das Stadtklima berücksichtigt werden.

Wie man meteorologische Erkenntnisse privat und im Kleinen umsetzen kann, erläuterte Bangert auf Nachfrage am Beispiel seines eigenen 200 Quadratmeter großen Gartens: Dort hätten er und seine Frau, eine Landschaftsgärtnerin, einen 50 Quadratmeter großen Teich, eine uralte Weide und einen Obstbaum: "Bangerts Biotop".

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