Geretsried:Warum ein Chor die Lage der Frauen zum Heulen findet

Der "Sirenenchor" bringt das Publikum im "Hinterhalt" beim Festival PiPaPo unter dem Motto "Immer feste druff" zum Johlen.

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

Die Musik beginnt zu spielen, das Licht geht aus, der Putztrupp zieht ein. Bewaffnet mit Wischmopp, Staubwedel und Teppichklopfer bahnen sich gut 20 Damen den Weg durch den proppenvollen Zuschauerraum zur Bühne, säubern im Vorübergehen die Kleider und Gesichter der Besucher und prüfen mit kritischem Zeigefinger die Staubschicht auf den Tischen. Und als sie sich dann auf der Bühne versammelt haben, fangen sie an zu singen: "Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann". Ach ja, Johanna von Koczian lässt grüßen.

Der "Sirenenchor" bezieht seinen Namen daher, dass die Lage der Frauen nach Ansicht der Sängerinnen noch immer zum Aufheulen ist. Ob der Schönheit des Gesangs dieser Sirenen müsste man keinen Odysseus am Mast festbinden. Aber Stimmschönheit ist auch nicht gefragt, Subtilität und hintergründiger Witz ebenso wenig. Für den Auftritt im Geltinger "Hinterhalt" am Sonntagvormittag hatte Leiterin Regina Hellmann ein Programm zusammengestellt und einstudiert nach dem Motto "Immer feste druff". Die Sirenen brachten ihr Publikum zum Johlen, auch wenn die Texte gelegentlich unter die Gürtellinie zielten.

Die meisten Lieder lebten von der Situationskomik und setzten sich mit scharf beobachteten Alltagssituationen auseinander. Besonders fündig wurde der Sirenenchor bei der Stuttgarter Kabaretttruppe "Eure Mütter". Allerdings: Lieder wie "Billige Reize" und "Die Schlange vor dem Damenklo" erscheinen bei den Stuttgartern ironisch gebrochen, weil es dort Männer sind, die singen. Bei den Sirenen entfällt diese Brechung, was die Lieder freilich nicht weniger treffend und frech macht. Gelegentlich mussten die Damen den Text leicht variieren. Aus "Soll ich mir den Sack rasieren?", wie es die Stuttgarter singen, wurde "Soll er sich den Sack rasieren?"

Doch auch Beziehungs- und Liebesthemen kamen immer wieder vor. Die Sirenen hatten sogar einen echten Klassiker im Programm: "Nehm Se'n Alten", ein Lied des 1931 verstorbenen Berliner Komikers Otto Reutter. Auch "Drück die 1" von Annett Louisan und Barbara Schönebergers "Männer muss man loben" durften nicht fehlen. Solistische Nummern und Auftritte des gesamten Chors wechselten einander ab, so dass keine Langeweile aufkam und ein ständiges Kommen und Gehen auf der Bühne herrschte. Bewundernswert, mit welcher Sicherheit, ja Selbstverständlichkeit die Damen das fast einstündige Programm mit seinen doch recht komplexen Texten samt allen Auf- und Abtritten auswendig "draufhatten". Mehr noch: Die Sängerinnen begnügten sich nicht mit bloßem Absingen, sondern gestalteten, ja lebten ihre Lieder mit unverkennbarem Spaß an der Freud. Dabei besteht der Sirenenchor keineswegs aus Profis, sondern aus Amateuren, die so ganz nebenbei einen Beruf ausüben; viele haben dazu noch einen Haushalt mit Kindern zu versorgen. Die Probenzeit war knapp bemessen; dennoch ging der Auftritt (fast) ohne Unsicherheiten, ohne "Hänger", dafür mit umso mehr Überzeugungskraft über die Bühne. Hut ab!

Bei der letzten Nummer des Programms geschah etwas Sensationelles: Zu den über 20 Damen wagten sich vier Herren auf die Bühne. Gewiss, bei "Nehm Se'n Alten" war schon ein männlicher Statist aufgetreten, der den "Alten" gemimt hatte; diesmal aber erschienen singende und spielende Männer, mit dunklen Anzügen und Sonnenbrillen als Mafiosi maskiert. Im Wechsel mit den Damen präsentierten die Herren das Lied "Männer sind Schweine" von der Band "Die Ärzte". Natürlich - aber das war beabsichtigt - standen die vier Männer im Vergleich zur Übermacht der Damen von Vorneherein auf verlorenem Posten. Die Herren nahmen es mit Humor.

Das Publikum, ob männlich oder weiblich, war hellauf begeistert und erklatschte sich eine Zugabe: "Er hat zu wollen", ein schwarzhumoriges Lied, mit dem sich die Sirenen für diesmal verabschiedeten.

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