Geretsried:Der James Last von Geretsried

Horia-Dinu Nicolaescù probt gerade mit seinem "Cico Jazz Orchester" für den nächsten Auftritt. Die von ihm gegründete Big Band hat ein breites Repertoire - von Mambo und Salsa bis zu klassischen Elementen

Von Jakob Steiner, Geretsried

"Fang' ma o!" übertönt eine durchdringende Männerstimme mit rumänischem Akzent die Gespräche der jungen Musiker in der Aula des Geretsrieder Gymnasiums. Das Cico Jazz Orchester probt ein letztes Mal vor dem Konzert am Samstag. "Oans, zwoa; one, two, three" zählt der Leiter - wohl ein Kosmopolit - ein. Es ist Horia-Dinu Nicolaescù, genannt "Cico". Er fühlt sich in Geretsried sehr wohl, schließlich wohnt er schon seit über 30 Jahren im bayerischen Oberland. Er spricht von sich gerne als "adoptierter Bayer". Doch bevor es dazu kam, musste er einige Hürden überwinden.

Nicolaescù wurde 1941 als Kind einer rumänischen Bojarenfamilie geboren. Nach seiner Kindheit im Kreis Dolj in der Walachei zog es ihn nach Bukarest, weil er an die Musikuniversität gehen wollte. Er studierte dort Chordirigieren und Musik auf Lehramt. Letzteres tat er lediglich seiner Mutter zuliebe, da sie alles investierte, um ihrem Sohn das Musikstudium zu ermöglichen, und von ihm verlangte, einen "handfesten" Beruf zu ergreifen.

In Bukarest entdeckte er den Jazz. Ein Ingenieur, der den jungen Mann sehr schätzte, schenkte ihm Schallplatten bekannter Jazzmusiker wie Count Basie und Duke Ellington und lud ihn zu "Jazz-Hours" ein, die er veranstaltete. Cico begann neben seinem Studium Jazztrompete zu spielen, gründete eine Combo und trat auch als Showmaster auf. Im sozialistischen Rumänien unter Nicolae Ceaușescu war es jedoch nicht möglich, diese "amerikanische Musik" ohne Weiteres zu praktizieren. Cico kämpfte gegen Zensur und Aufführungsverbote. Doch nicht nur das, er geriet auch zusehends in das Visier der Securitate, des rumänischen Geheimdiensts. Auf einer Schiffsreise, so erzählt er, hätte er durch einen "Unfall" umkommen sollen, der Mitarbeiter der Staatssicherheit ließ ihn jedoch laufen.

Nachdem der Vater Nicolaescùs 1970 gestorben war, gab es für ihn keinen Grund mehr, in seiner Heimat zu bleiben, er sah die Ausreise als "einzigen Ausweg". Da seine Frau deutsche Vorfahren hatte, konnte das Ehepaar im Zuge des "Freikaufs von Rumäniendeutschen" der Bundesregierung 1971 auswandern.

In Deutschland angekommen bemühte sich der Rumäne um eine Anstellung und konnte - nach Abschluss pädagogischer Prüfungen - als Musiklehrer in Röthenbach an der Pegnitz bei Nürnberg beginnen. Dort gründete er ein Schulorchester. 1981 wurde er schließlich an das Gymnasium Geretsried versetzt und dort mit der Aufgabe betraut, eine Big Band zu leiten.

Geretsried: Der Maestro gibt die Einsätze: Horia-Dinu Nicolaescù bei der Arbeit.

Der Maestro gibt die Einsätze: Horia-Dinu Nicolaescù bei der Arbeit.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Jene Big Band war Zentrum des musikalischen Austauschs Nicolaescùs mit Rumänien, den er von 1992 bis 2004 mit Reisen und Konzerten pflegte. Höhepunkt war sicherlich das Auftreten beim ersten Süd-Ost-Jazzfestival 1998 in Bukarest. Außerdem war die Big Band als einziges bayerisches Amateurensemble bei der Expo 2000 in Hannover vertreten. Aus der Besetzung dieses Auftritts ging das Cico Jazz Orchester hervor. Nicolaescù schlug mit seiner Big Band eine sehr erfolgreiche Laufbahn ein. Dies belegen Preise bei "Jugend jazzt", die CD-Produktionen ermöglichten.

Im Jahr 2006 wurde der Musiklehrer Nicolaescù pensioniert, der Bandleader Cico denkt jedoch noch lange nicht ans Aufhören. Knapp 20 Musiker spielen in wechselnden Besetzungen im Jazzorchester. Es finden keine wöchentlichen Proben mehr statt. "Das wäre auch gar nicht möglich" sagt Cico, "viele der Mitglieder sind berufstätig." Tatsächlich sind die jüngsten Musiker Abiturienten, die ältesten schon lange im Beruf, unter anderem als Musiklehrer.

Am Samstag, 18. Februar, tritt das Cico Jazz Orchester wieder auf. Es präsentiert ein Programm, das sich auf keinen bestimmten Stil festlegen lässt. Mit Mambo, Salsa, afro-kubanischen Rhythmen, aber auch klassischen Elementen will das Ensemble "die verschiedenen Formen der Musik" aufzeigen. Im Mittelpunkt stehen zwei Stücke, bei denen die einzigen Musikerinnenbeteiligt sind: Einerseits die Pianistin Monica Dorofte. Sie ist Rumänin und studiert in München Musikwissenschaften. Bei der von Cico "verjazzten" Version von Beethovens Mondscheinsonate, spielt Dorofte die ersten Takte an. Die Band kommentiert daraufhin Beethovens Musik mit dissonant angereicherter Harmonik und ausgefeilter Rhythmik. Auf der anderen Seite steht Sophie Kolomyjczuk. Gemeinsam mit dem Musikstudenten Daniel Motan, der eigentlich Trompete spielt, bereichert sie das ansonsten instrumentale Programm mit Jazz-Standards und Balladen à la Michael Bublé.

Geretsried: Die Saxofonisten Christopher Motan, Moritz Brückner und Peter Gründl folgen (unten, v.l.).

Die Saxofonisten Christopher Motan, Moritz Brückner und Peter Gründl folgen (unten, v.l.).

(Foto: Hartmut Pöstges)

Für die Geretsrieder Kulturlandschaft ist es erfreulich, dass die Big Band fortbesteht. Ob allerdings die Aula des Gymnasiums für das Jazzorchester einen guten Rahmen schafft, ist fraglich. Damit soll nicht die funktionale Architektur der Siebzigerjahre kritisiert werden. Aber die Aula ist für eine Big Band mit großem Bläserapparat, die noch dazu verstärkt wird, schlicht zu klein. Es bedarf sensibler Abmischung, damit Feinheiten hörbar und Gedröhne vermieden wird.

Am Samstag heißt es in der Aula des Gymnasiums Geretsried dann wieder "Fang' ma o!" und Cico wird die Zuhörer mit "seinem" Jazzorchester in James Last-Manier durch den Abend leiten.

Samstag, 18. Februar, Schulzentrum Geretsried, Adalbert-Stifter-Straße 14, 19.30 Uhr, Eintritt frei

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: