Geretsried:Das Radio mit dem Ausrufezeichen

Geretsried: Die Macher des Geretsrieder Programms (v. l.): Felix Leipold, Oliver Sachers (vorn), Ludwig Matheis (hinten), Christian Funke und Michael Hohn.

Die Macher des Geretsrieder Programms (v. l.): Felix Leipold, Oliver Sachers (vorn), Ludwig Matheis (hinten), Christian Funke und Michael Hohn.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Acht Jugendliche gehen in Geretsried mit "Batsch!FM" auf Sendung. Nach den ersten improvisierten Monaten sind sie in ein professionelles Studio umgezogen.

Von Melanie Kraus

Punkt drei der Raumnutzungsordnung bei "Batsch!FM": Im Studio herrscht Ruhe und Ordnung. Doch die Einrichtung, die das junge Team gewählt hat spricht eine andere Sprache - Wände in knalligem Lila und Orange, dazu in der Ecke hinter der Tür Sitzsäcke in den selben Farben. Zwischen Monitoren und Mikrofonen stehen Kaffeetassen, die Pressspanplatten um die Mischpulte sind mit Postern aus Jugendmagazinen und Zeitungsartikeln beklebt. Auf den circa 20 Quadratmetern des "Studio P" herrscht ein charmantes Chaos. "Es ist halt Batsch-Style, dass es hier so unordentlich ist", sagt Christian Funke und grinst dabei breit. Der 20-jährige ist hauptberuflich Krankenpfleger und eines von aktuell acht aktiven Mitgliedern des Geretsrieder Stadtradios, das Mitte Mai in sein neues Studio umgezogen ist. Aus dem privaten Keller des Initiators Felix Leipold ging es für das Team ins Herz Geretsrieds - in den Jugendtreff "Saftladen".

Im August vergangenen Jahres ging das Lokalradio auf Sendung. Kurz darauf gründete sich der Verein "Freies Stadtradio Geretsried". Am Anfang wurde noch "auf gefühlt weniger als zwei Quadratmetern" produziert und das teilweise zu zehnt, erinnert sich Kassier Ludwig Matheis. Doch das war für niemanden ein Problem, denn der Sender hatte damals noch nicht so viele Hörer wie heute, daher seien die Produktionsstunden immer sehr vergnüglich gewesen.

Gefördert von der Ernst-Pelz-Stiftung konnten die Jungs nun allerdings nicht nur das Studio mieten, sondern auch ihr Equipment aufstocken. "Technisch gesehen können wir mit professionellen Radiosendern mithalten", erklärt Leipold. Inhaltlich seien die Sendungen "super aufgestellt", nur einen Wermutstropfen gebe es: Das Internet ist noch zu langsam. "Es klingt nicht so gut, wie's sein könnte, und es bricht immer wieder ab", sagt der 18-Jährige. Was sehr schade sei, denn wäre nur die Verbindung schnell genug, könnte das Team simultan zur Sendung surfen und eine Live-Schaltung durchführen. Bis dieses Problem gelöst ist, bleibt all das leider im Konjunktiv stehen.

Trotz allem ist "das Radio keine Arbeit, sondern Spaß", ergänzt der 18-jährige Matheis. So sehen es auch seine Kollegen. Es ist das erklärte Ziel der Mannschaft "zu machen, was wir wollen", fasst Michael Hohn, der erste Vorstand des Radios, zusammen. Alle sind sich einig, dass es "hochprofessionell keinen Spaß mehr machen würde". Und ehe das freie Stadtradio kommerziell werde, ließen sie es lieber vollends sein. Denn immerhin sei der Sender im Herzen Geretsrieds ein Hobby und kein Beruf, wie Matheis betont. Doch besonders während des Umzugs ist den Jugendlichen aufgefallen, dass sie aufpassen müssen, wenn sie genau diese Grenze nicht überschreiten wollen. Leipold hat, wie er sagt, über 100 Stunden Umzugsarbeit geleistet - und das neben der Fachoberschule. Das Ziel des 18-Jährigen ist es, nach seinem Abschluss ein Volontariat beim Radio zu machen. Damit ist er im Team bisher der einzige, der eine professionelle Laufbahn als Journalist einschlagen möchte.

Einmal in der Woche tummeln sich die "Batsch!FM"-ler im Saftladen zur Redaktionssitzung. Dann ist die Stimmung ausgelassen, ein verbaler Schlagabtausch untereinander keine Seltenheit. Diese Ausgelassenheit ist es, die die Geretsrieder von anderen Radiosendern unterscheidet. Leipold fasst das in einem Satz zusammen: "Wir finden die perfekte Balance zwischen Seriosität und Spaß." Die Leute würden durch den Sender "auf ganz spezielle Art" informiert und unterhalten. Natürlich wolle das Radio trotz aller Lockerheit ernst genommen werden. Das gelingt der Gruppe wohl recht gut, denn sie "kommen mit dieser ungezwungenen Art auch gut an", wie Leipold meint.

In den Redaktionssitzungen werden Themenvorschläge der Mitglieder diskutiert, um die folgende Woche inhaltlich zu planen. Während der Sendungen, die von Dienstag bis Sonntag jeweils zwei Stunden abends live zu unterschiedlichen Uhrzeiten ausgestrahlt werden, befinden sich zwischen einer und drei Personen im Studio. Die Inhalte bereiten die Jugendlichen zu Hause vor und ein bis zwei Stunden vor Sendebeginn sind die Beträge meist schon komplett fertig. Die Gruppe habe den Luxus, in einem Team aus Freunden arbeiten zu können und durch diese Arbeit "coole, interessante Leute" kennenzulernen. Leipold erinnert sich dabei an ein Interview mit Konstantin Wecker, das im vorigen Jahr produziert wurde.

Internationale Popmusik läuft den ganzen Tag. Die Jugendlichen orientieren sich auch an der internationalen Konkurrenz. Musikalisch beispielsweise an einem niederländischen Sender, der die verschiedenen Genres besonders abwechslungsreich mischt. "Wir schauen ebenfalls, was in den USA oder England so geboten ist", nennt Leipold weitere Beispiele.

"Batsch!FM" wächst. Deswegen seien neue Mitglieder beim freien Stadtradio gerade sehr gefragt, denn auch im Berufsleben des Kernteams geht es langsam voran. Ludwig Matheis hat beispielsweise gerade sein Abitur gemacht. Wo es danach für ihn hingeht, sei noch nicht sicher, aber auch wie die anderen aus der Gruppe könne er nicht auf ewig beim Radio bleiben, sagt der 18-Jährige. "Es steckt viel Herzblut im Sender", sagt Hohn, der für die Gruppe eine Art Supervisor ist. "Jeder investiert einen Löwenanteil seiner Freizeit in das Radio." Das sei zwar durch das Feedback der Bevölkerung lohnend, allerdings könnte man mit mehr Mitgliedern "mehr Programm und besseres Programm" machen, wie Leipold sagt. Damit meint er nicht, dass die Neuen im Team ebenso viel Arbeit leisten müssten, wie es der harte Redaktionskern gerade tut, sondern dass die anfallende Arbeit besser verteilt werden könnte und das gesamte Team entlastet würde.

Das Lokalradio habe nicht nur Hörer im Umkreis Geretsrieds, auch die Berufsfeuerwehr in München schalte ab und zu das Internetradio zu. Selbst in Indien und Australien finde das Radio Publikum, wie Leipold angibt. "Wenn jemand im Urlaub ist und wissen will, was daheim los ist" höre er eben beim Geretsrieder Sender rein. Sogar der Großvater des 18-Jährigen wollte wissen, wie er die Sendungen seines Enkels hören kann.

Zu hören im Internet unter batschfm.jimdo.com

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