Geretsried:Beeindruckender Zeitzeuge

KZ-Überlebender  Max Mannheimer

Der KZ-Überlebende Max Mannheimer bei seinem Vortrag in der Geretsrieder Realschule.

(Foto: Manfred Neubauer)

Max Mannheimer erzählt Schülern vom Holocaust

Von Niklas Gramann, Geretsried

"Ich wollte eigentlich nie wieder deutschen Boden betreten", sagt Max Mannheimer. Der 95-jährige KZ-Überlebende hält am Montag einen Vortrag über sein Leben in der Zeit des Nationalsozialismus an der Realschule Geretsried. Er war 27 Monate in Konzentrationslagern, weil er Jude ist. "Doch dann habe ich mich in meine zweite Frau, eine Deutsche, verliebt und bin 1946 nach Deutschland zurückgekehrt", sagt Mannheimer.

Fünf neunte Klassen der Realschule hatten am Montag die Möglichkeit, den Vortrag des Zeitzeugen in der Mensa der Schule zu hören. Mannheimer, der unter anderem der zwölfte Ehrenbürger der Stadt Dachau ist, setzt sich dafür ein, dass der Holocaust nicht in Vergessenheit gerät. Der alte Mann, der mit einem Rollator in die Mensa gekommen ist, wirkt entschlossen, seine Geschichte weiterzugeben.

Zur Unterstützung seines beeindruckenden Vortrages hat Mannheimer auch seine Bücher "Spätes Tagebuch" und "Drei Leben" dabei, aber er berichtet lieber frei. "Ich habe im Konzentrationslager sechs Mitglieder unserer achtköpfigen Familie verloren", erzählt er, und die Schüler hängen an seinen Lippen. Nur er und sein sechs Jahre jüngerer Bruder überlebten den Holocaust. Dann steht Mannheimer auf und zeigte die Tätowierung auf seinem Unterarm. "99728" steht da. "Das war der Personalausweis im KZ", sagt er. Auf die Frage eines Mädchens, ob er sich schon einmal überlegt habe, die Zahl entfernen zu lassen, antwortet er: "Die Tätowierung ist nicht meine Schande. Das ist vielmehr eine Schande für die Aufseher im Lager." Sie gehöre nun einmal zu ihm. Zwischendurch lockert Mannheimer die Stimmung immer wieder mit kleinen Witzen auf. Er habe seinen Humor wiedergefunden, sagt er zu den Schülern. Es habe zwar ein wenig gedauert, aber es habe sich gelohnt.

Schließlich bekommen die Neuntklässler die Chance, Mannheimer Fragen zu stellen, die dieser ausführlich beantwortet. Einer fragt, ob Mannheimer, wenn er auf der Seite der Nationalsozialisten gestanden hätte, dort mitgemacht hätte. Mannheimer sagt: "Das kann ich nicht ausschließen. Wenn jemand im Kindesalter zu dir kommt und dir eine Uniform und ein Fahrtenmesser gibt, ist das natürlich spannend." Er habe bis zu einem gewissen Grad Verständnis für die Jungen, die zum Beispiel in die Hitlerjugend eingetreten seien. Eine weitere Frage ist, wie Mannheimer die Befreiung durch die Amerikaner erlebte: "Wir sind am 30. April 1945 in der Nähe von Tutzing von den Amerikanern befreit worden", erklärt er. Mannheimer war damals 25. Als er verstanden habe, dass er nun frei sei, habe er geweint. "Ich weiß bis heute nicht, warum ich geweint habe. Entweder, weil ich so viele Familienmitglieder verloren habe, oder weil ich glücklich war, frei zu sein." Gegen Ende sagt Mannheimer: "Als ich 1945 freigekommen bin, habe ich gedacht, wenn ich 40 Jahre alt werde, kann ich zufrieden sein. Jetzt werde ich vielleicht sogar 100 Jahre alt. Für mich ist das ein Wunder".

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